Bausystem und Tragwerk – Stahl

_ von Prof. Dr.-Ing. Werner Lorenz, BTU Cottbus

 

I. Bedeutung

Gemeinhin wird nicht das 20., sondern das 19. Jahrhundert als das „… des Eisens“ bezeichnet. Das 20. Jahrhundert gilt als das des Betons. Für die Zeit um 1900 mag diese Klassifizierung tatsächlich ein Stück Wirklichkeit treffen. Dem bereits hoch entwickelten, wissenschaftlich gereiften und in Teilen kodifizierten Stahlbau erwächst mit dem jungen, noch ungeschliffenen Eisenbetonbau ein Konkurrent, der sich in erstaunlicher Geschwindigkeit zu einer ebenso machtvollen wie faszinierenden Bauweise entfalten wird. Öffnet man den Blick jedoch in die Weite des 20. Jahrhunderts, erweist sich das einfache Schlagwort vom Jahrhundert des Betons als kaum noch hilfreich. Gebaut wird gleichermaßen mit Beton und Stahl. In scharfer Konkurrenz zueinander wird geforscht, entwickelt, optimiert, verkauft, realisiert. Stahl und Beton stehen als Werkstoffe paradigmatisch für die moderne Baukunst.

In vielen Baudenkmälern des 20. Jahrhunderts, nicht nur der Moderne, stoßen wir immer neu und immer anders auf Stahl. Das Spektrum reicht von Inkunabeln des Stockwerksbaus für Büro und Verwaltung über spektakuläre Industrie- und Ausstellungshallen, über Wohnungsbauten der 1920er Jahre bis hin zur Vielfalt der Verkehrsbauwerke wie den großen Straßenbahn- und Omnibusdepots, Bahnhöfen, Flughäfen und vor allem den Brücken für Bahn und Straße. Welche volkswirtschaftliche Bedeutung unabhängig von Fragen des Denkmalschutzes einer differenzierten Auseinandersetzung mit historischen Stahlbauten zukommt, wird an wenigen Zahlen aus dem deutschen Brückenbestand deutlich: Von den über 8000 Stahlbrücken im Schienennetz der Deutschen Bahn ist die Hälfte heute über 80 Jahre, 40% sind gar über 100 Jahre alt. Nimmt man das Straßennetz hinzu, ist davon auszugehen, dass allein ca. 6000 Stahlbrücken in Deutschland älter als 80 Jahre sind [Geißler/Graße/Brandes: Stahlbrücken, S.487].

Abb. 1: Stahllamellen-Haus als Jagdhütte. In dem 1928 publizierten Gebäude ist auf der Auskleidung mit Isolierplatten eine lebhaft gemaserte Holzvertäfelung angebracht. [Spiegel 1928, S.77]

Abb. 1: Stahllamellen-Haus als Jagdhütte. In dem 1928 publizierten Gebäude ist auf der Auskleidung mit Isolierplatten eine lebhaft gemaserte Holzvertäfelung angebracht. [Spiegel 1928, S.77]

Abb. 2: Shell-Haus, Berlin-Tiergarten. Das 1930-32 als Verwaltungsgebäude der Rhenania-Ossag errichtete, bis zu zehnstöckige Shell-Haus ist einer der ersten Stahlskelett-Bauten Berlins; die Richtung weisende Aussteifungskonzeption entwickelte der Berliner Bauingenieur Gerhard Mensch (1880-1940). [Aufnahme Lorenz, ca. 2003]

Abb. 2: Shell-Haus, Berlin-Tiergarten. Das 1930-32 als Verwaltungsgebäude der Rhenania-Ossag errichtete, bis zu zehnstöckige Shell-Haus ist einer der ersten Stahlskelett-Bauten Berlins; die Richtung weisende Aussteifungskonzeption entwickelte der Berliner Bauingenieur Gerhard Mensch (1880-1940). [Aufnahme Lorenz, ca. 2003]

Abb. 3: Hochbahnviadukt in der Schönhauser Allee, Berlin-Prenzlauer Berg. Für den in zwei Bauphasen (1910-13, 1928-30) errichteten Brückenzug erarbeitete der Architekt Alfred Grenander (1863-1931) eine bis ins Detail durchdachte, faszinierende eigene Formensprache. [Wittig 1922]

Abb. 3: Hochbahnviadukt in der Schönhauser Allee, Berlin-Prenzlauer Berg. Für den in zwei Bauphasen (1910-13, 1928-30) errichteten Brückenzug erarbeitete der Architekt Alfred Grenander (1863-1931) eine bis ins Detail durchdachte, faszinierende eigene Formensprache. [Wittig 1922]

Abb. 4: Reichsautobahn am Kaiserberg, bei Duisburg, errichtet 1935-36. [Deutscher Stahlbau-Verband 1937, S.60]

Abb. 4: Reichsautobahn am Kaiserberg, bei Duisburg, errichtet 1935-36. [Deutscher Stahlbau-Verband 1937, S.60]

Abb. 5: Flughafen Berlin-Tempelhof, im Bau, 1938. [Deutscher Stahlbau-Verband 1939, S.132]

Abb. 5: Flughafen Berlin-Tempelhof, im Bau, 1938. [Deutscher Stahlbau-Verband 1939, S.132]

Abb. 6: Naturzugkühler auf dem Geländer Kokerei Zollverein, Essen. Die Ende der 1950er Jahre errichteten, durch Korrosion in Teilen stark geschädigten Kühltürme sind heute Teil der Welterbe-Stätte Zollverein. [Aufnahme Lorenz 2008]

Abb. 6: Naturzugkühler auf dem Geländer Kokerei Zollverein, Essen. Die Ende der 1950er Jahre errichteten, durch Korrosion in Teilen stark geschädigten Kühltürme sind heute Teil der Welterbe-Stätte Zollverein. [Aufnahme Lorenz 2008]

Dabei zeigt sich nicht jeder Stahlbau auch als Stahlbau. Oft ist das stählerne Tragwerk hinter historisierenden massiven Fassaden verborgen. Doch im Denkmal fordert auch ein derart kaum wahrnehmbarer Stahlbau unsere ganze Sorgfalt. Spätestens seit den 1960er Jahren und der Charta von Venedig [ICOMOS: Charta von Venedig] anerkennen wir, dass der materiellen Substanz eines Baudenkmals – wie etwa seinem historischen Tragwerk – grundsätzlich der gleiche denkmalpflegerische Wert zuzuerkennen ist wie beispielsweise dem äußeren Erscheinungsbild oder dem künstlerischen Gehalt. Darüber hinaus kann ein Bauwerk allein schon wegen seines Tragwerks Denkmalwert haben, so unscheinbar es sonst auch sein mag. Der verborgene Stahlbau kann interessant und wertvoll sein, weil er eine konstruktive Entwicklung dokumentiert, weil er Zeugnis gibt von einem bestimmten Entwicklungsschritt der Bautechnikgeschichte oder auch, weil er eine unmittelbare, anfassbare Erfahrung vergangener Konstruktionstechnik bietet.

Der Stahlbau im Denkmal ist ein Vermächtnis: Nach vielen Jahrzehnten intensiven Gebrauchs erfüllt er noch immer seine Aufgabe, hält Eigen- und Verkehrslasten, Wind, Erdbeben und welchen Einwirkungen auch immer stand, bezeugt lebendig und beständig die Fertigkeiten seiner Schöpfer und Erbauer.

Es brauchte Zeit, bis sich ein derartiges Verständnis für den Denkmalwert auch des Tragwerks etablieren konnte. Wesentlich dazu beigetragen hat in Deutschland u.a. der DFG-Sonderforschungsbereich 315 – Erhalten historisch bedeutsamer Bauwerke -, der zwischen 1985 und 1999 wichtige Erkenntnisse auch zum Umgang mit historischen Stahlbauten erbrachte. Auf internationaler Ebene ist insbesondere das International Scientific Committee for the Analysis and Restoration of Structures of Architectural Heritage (ISCARSAH) hervorzuheben. 2001 erarbeitete es unter der Leitung des Italieners Giorgio Croci einen Katalog von Grundsätzen und Richtlinien für den Umgang mit historischen Tragwerken, der 2003 vom ICOMOS in Victoria Falls (Zimbabwe) als offizielle Charta übernommen wurde [ICOMOS: Charter of Victoria Falls].

Gleichwohl stellt sich die Frage, ob die Stahltragwerke des 20. Jahrhunderts nicht mit den gängigen Methoden des heutigen Stahlbaus hinreichend gut zu erfassen und zu bewerten sind und keiner besonderen Aufmerksamkeit einer spezialisierten Tragwerkserhaltung mehr bedürfen. Schließlich konnten sich die Planenden und Ausführenden zu Beginn des 20. Jahrhunderts – anders als im noch jungen Betonbau – bereits auf ein gefestigtes Fundament gewachsener Traditionen stützen, das im „eisernen“ 19. Jahrhundert gelegt worden war. Die Grundzüge des heutigen Stahlbaus standen im Grunde schon bereit: Flussstahl als ein Eisenwerkstoff, der dem heutigen Baustahl S 235 sehr nahe kommt, stahlbauspezifische Konzepte für Konstruktion und Detail, leistungsfähige Berechnungsmethoden auf Basis der Elastizitätstheorie und vieles andere mehr. Warum also viel Aufhebens um eine differenzierte Auseinandersetzung? Sollte man die Stahlbauten des 20. Jahrhunderts nicht schlicht dem im heutigen Stahlbau erfahrenen Ingenieur anvertrauen?

Vorsicht ist geboten. Zum einen ist Neubauen etwas grundsätzlich anderes als das Weiterbauen im Bestand. Die angemessene Behandlung bestehender Bauten – seien sie 50 oder 500 Jahre alt – erfordert eigene Methoden der Annäherung, der Erkundung, der rechnerischen Modellierung von Struktur und Einwirkungen sowie ein Denken, das sich von dem des Neubauens erheblich unterscheidet. So hoch entwickelt der Stahlbau im Kontext seiner Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Andren auch gewesen sein mag, so sehr unterscheidet er sich doch vom heutigen Bauen mit Stahl. Im Werkstoff, in der Konstruktion und in der Berechnung hat sich Bauen mit Stahl im Laufe des Jahrhunderts noch signifikant verändert. Weil sich aber die Konzepte, die den Baudenkmälern des 20. Jahrhunderts zu Grunde liegen, umso weniger von den heutigen unterscheiden, je jünger sie sind, soll im Folgenden die erste Jahrhunderthälfte im Mittelpunkt stehen.

II. Stahlbau im 20. Jahrhundert

Was charakterisiert den Stahlbau der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts? Untersucht man die ingenieurwissenschaftliche Diskussion der Zeit, war sie bestimmt durch Themen wie Stabilität oder die zulässigen Spannungen des Stahls bzw. die Kriterien zu ihrer Festlegung. Eben davon aber soll im Folgenden kaum die Rede sein. Der geschichtliche Rückblick zielt vielmehr darauf ab, Hauptlinien der konstruktiven Praktiken herauszuarbeiten und die zugehörigen Begriffe zu klären, um das verstehen und verorten zu können, was man als Planer vorfindet.

II.1. Material

Bereits auf der Werkstoffseite eröffnet sich ein weites Spektrum unterschiedlicher Stähle. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war das Puddelverfahren in Deutschland die dominierende Technologie der Erzeugung schmiedbaren Eisens gewesen. Nun wurde es in erstaunlich kurzer Zeit nahezu vollständig durch das Thomas- und das Siemens-Martin-Verfahren abgelöst. Während beim Puddeln die angestrebte Entkohlung der aus dem Hochofen kommenden Roheisenmasse noch durch deren langwieriges und äußerst kraftaufwändiges Verrühren per Hand im Puddelofen erreicht worden war, hatte man jetzt gelernt, beispielsweise in der Thomasbirne Luft mit hohem Druck in das schon vorgeheizte Roheisen einzublasen und damit in kürzester Zeit den ungeliebten Kohlenstoff nahezu vollständig zu verbrennen – ein Quantensprung in der Stahlherstellung: Den etwa 8 Stunden harter körperlicher Arbeit für eine Charge Puddeleisen stand nun ein gerade einmal 15 Minuten langer Brennvorgang – das Frischen – für eine zudem größere Charge Thomaseisen gegenüber. Für Jahrzehnte sollten diese im ausgehenden 19. Jahrhundert entwickelten Frischverfahren die Grundlage aller Stahlerzeugung bilden, bevor sich seit den 1920er Jahren das Lichtbogenverfahren und nach 1960 dann das Sauerstoffblasverfahren durchzusetzen begannen. Letzteres verwendet anstelle von Luft nun reinen Sauerstoff, im Lichtbogenofen hingegen wird zur Verbrennung des Kohlenstoffs elektrische Energie genutzt, die über eingeführte Graphitelektroden eingebracht wird.

Abb. 7: Thomas-Birne, Ansicht und Schnitt. [Verein Deutscher Eisenhüttenleute 1918, S.85]

Abb. 7: Thomas-Birne, Ansicht und Schnitt. [Verein Deutscher Eisenhüttenleute 1918, S.85]

Abb. 8: Blick in ein Thomaswerk, vor 1918. [Verein Deutscher Eisenhüttenleute 1918, S.95]

Abb. 8: Blick in ein Thomaswerk, vor 1918. [Verein Deutscher Eisenhüttenleute 1918, S.95]

Nach heutiger Terminologie können alle genannten Eisenerzeugnisse ungeachtet ihrer durchaus unterschiedlichen Eigenschaften grundsätzlich als Stahl bezeichnet werden. Noch im beginnenden 20. Jahrhundert jedoch waren wesentlich differenziertere Bezeichnungen üblich. Die deutlichen Unterschiede zwischen den heutigen und den damaligen Begriffsinhalten sind der Beachtung wert. So wurden die Produkte im frühen 20. Jahrhundert zum einen unmittelbar nach dem Herstellungsverfahren bezeichnet (z.B. Thomasstahl), zum anderen unterschied man noch zwischen Schweiß- und Flusseisen, je nachdem, ob die Roheisenmasse wie im Puddelofen einen lediglich teigigen, schweißigen Zustand angenommen hatte (Schweißeisen) oder höher erhitzt und damit flüssig geworden war wie in der Thomasbirne oder im Siemens-Martin-Ofen (Flusseisen bzw. Flussstahl). Die begriffliche Trennung zwischen Eisen und Stahl war dabei grundsätzlicher Natur. Sie bezog sich anders als heute vor allem auf die Härte und Härtbarkeit des Werkstoffs. Etwas vergröbert lässt sich somit aus den jeweils ersten Silben von Schweißeisen, Schweißstahl, Flusseisen und Flussstahl der Herstellungsprozess (Puddeln oder Frischen) und aus den zweiten Silben die Härtbarkeit des Materials sowie indirekt der ungefähre Kohlenstoffgehalt ableiten.

Von Eindeutigkeit war diese Terminologie gleichwohl national wie international weit entfernt. Insbesondere die Unterscheidung zwischen Eisen und Stahl erwies sich als schwierig. 1924 schließlich gab der Normenausschuss der Deutschen Industrie eine Definition vor, die im wesentlichen bis heute gültig bleiben sollte: „Da es praktisch schwer möglich ist, eine scharfe und eindeutige Grenze zwischen ‚schmiedbarem Eisen’ und ‚Stahl’ zu ziehen (…), hat der Werkstoffausschuss des NDI beschlossen, dass alles schon ohne Nachbehandlung schmiedbare Eisen in Zukunft als Stahl bezeichnet werden soll.“ [Was ist Stahl? In: Beton und Eisen, 1924, S. 226]. Noch heute gilt als Stahl ein Eisenwerkstoff, der für die Warmformgebung geeignet ist und einen Kohlenstoffgehalt von unter 2% aufweist. Es empfiehlt sich, diese Definition auch für die Arbeit mit historischen Bauten zu benutzen: Den Stahlbauten mit Tragwerken aus Schweiß- oder Flussstahl stehen damit lediglich jene Bauten als Eisenbauten gegenüber, bei denen zumindest in Teilen oder ausschließlich Gusseisen (mit deutlich über 2% Kohlenstoffgehalt) zur Anwendung kam.

Die Baustähle, die dann den späteren deutschen Stahlbau bestimmen sollten, wurden im Wesentlichen in der Zwischenkriegszeit nach 1918 entwickelt. Die verbindliche Festlegung standardisierter Stahlgüten oblag dabei dem System der Deutschen-Industrie-Normen (DIN), das 1917 vom Normenausschuß der deutschen Industrie begründet worden war. 1925 führten die preußischen Bestimmungen über die zulässige Beanspruchung und Berechnung von Konstruktionsteilen aus Flußstahl (…) verbindlich die Bezeichnung Stahl und zugleich dessen Kurzkennzeichnung nach der Mindestzugfestigkeit in kg/mm2 („St 37“) ein. Unabhängig davon gab es weiterhin bereichsspezifische eigene Regelwerke. Zu nennen ist hier vor allem die Deutsche Reichsbahn; deren Regelungen trugen u.a. maßgeblich zur Entwicklung und Anwendung höherfester Stähle und deren Verbreitung auch außerhalb der Bahn bei.

Die Klassifizierung der Stähle war in der Zwischenkriegszeit noch vielen weiteren Veränderungen unterworfen. So wurden 1924 fünf (Fluss-)Stahlgüten definiert – die Normalgüte St 37.12 als das Massenerzeugnis der deutschen Großbetriebe für Thomasstahl, die Sondergüten St 42.12 und St 44.12 insbesondere für die Brücken der Reichsbahn, die Sondergüte St 34.13 als Regelstahl für Niete sowie der St 00.12 als Handelsgüte. Schon in den 1920er und 1930er Jahren wurde an zahlreichen höherfesten Stählen gearbeitet. Im Prinzip schlug man dafür zwei verschiedene Wege ein – den über Legierungszusätze wie Nickel, Chrom, Vanadium oder Titan, und den über die Hoch- oder Aufkohlung. Letzterer wurde insbesondere durch die Wirtschaftskrise der 1920er Jahre befördert, die dazu zwang, auf teure Zusätze zu verzichten. Zum selben Zweck wurden billigere Zusätze als Nickel erprobt, so z.B. Mangan, Silizium, Kupfer, Chrom und Molybdän. Als Lösung schälten sich in Deutschland vor allem die Siliziumstähle StSi, heraus, deren Festigkeiten um 50% erhöhte Beanspruchungen ermöglichten und die als einer der Vorläufer des St 52 gelten können. Fast euphorisch kamen sie, verbunden mit aus heutiger Sicht gewagten Schweißverbindungen, für erste Brücken zum Einsatz. Bald schon kam es zu Schadensfällen, insbesondere plötzlichen und dramatischen Spröd-Rissen bei tiefen Temperaturen; bekannt sind die Fälle der Berliner Zoo-Brücke und des Reichsautobahn-Viadukts bei Rüdersdorf. Ein vorläufiges Schweißverbot für St 52 war 1938 die Folge; 1939 konnte es nach der Entwicklung eines besonders feinkörnigen Stahls und Verbesserungen der Schweißtechnologie wieder aufgehoben werden.

Zur chemischen Zusammensetzung und den physikalischen Eigenschaften älterer Baustähle gibt es heute umfangreiche Untersuchungen. So kommt schon die Zugfestigkeit von Flusseisen bzw. -stahl oft der eines heutigen S 235 nahe, die Bruchdehnung und damit die Duktilität sind jedoch in der Regel noch deutlich geringer. Andererseits ist auch Vorsicht geboten: In verschiedenen Versuchen konnten die nominellen Festigkeitskennwerte für einen St 48 nicht ausgewiesen werden. [Geißler/Graße/Brandes: Stahlbrücken, S.496]

Von besonderer Bedeutung für die angemessene Beurteilung historischer Baustähle sind die zeitabhängigen Materialveränderungen. Dabei ist zwischen der lastunabhängigen Alterung und der Ermüdung infolge wechselnder Belastung zu unterscheiden. Während das Ermüdungsverhalten von Stahl – beginnend mit den richtungsweisenden Versuchen August Wöhlers in der 1860er Jahren – als recht gut erforscht gelten kann, sind allgemeingültige Aussagen zur Alterung auf dem derzeitigen Forschungsstand noch schwierig. Wesentlich für den Alterungsprozess ist die Diffusion hauptsächlich ungebundenen Stickstoffs in das Eisen, die eine Versprödung und damit eine Verringerung von Zähigkeit und Beanspruchbarkeit bewirkt. Es scheint jedoch, als sei diese Alterung kein linearer Prozess; vielmehr beginnt sie offenbar zügig, verlangsamt sich dann kontinuierlich und kann sich sogar umkehren. Insbesondere Thomasstähle sind wegen der stickstoffhaltigen Luft, mit der sie gefrischt wurden, alterungsanfällig und damit sprödbruchgefährdet. Die potenziell dramatischen Folgen verdeutlichten verschiedene Winterstürme in den vergangenen Jahren, die im Ergebnis von Alterung und Ermüdung zahlreiche Hochspannungsmasten aus Thomasstahl durch schlagartiges Versagen zu Fall brachten – ungeachtet dessen, dass ihre statische Tragfähigkeit nicht überschritten war.

II.2. Halbzeuge, Fügetechniken

Zentrales Charakteristikum der Halbzeuge im Stahlbau ist die kaum überschaubare Vielfalt nach verschiedenen Kriterien optimierter unterschiedlicher Walzprofile. Diese Diversifizierung reicht weit ins 19. Jahrhundert zurück; sie war die conditio sine qua non der erfolgreichen Entwicklung des Stahlbaus. Einen wichtigen Schritt hin zur Standardisierung und Normierung der Walzprofile hatte 1881 das Deutsche Normalprofil-Buch für Walzeisen markiert; Normal-Profile sollten dann den Stahlbau des frühen 20. Jahrhunderts bestimmen. Sie waren jedoch vornehmlich für (Biege-) Träger ausgelegt.

Für Stützen, die statisch und konstruktiv spezielle Anforderungen stellten, eigneten sie sich weniger. Zunächst gab es dafür aber auch keinen Bedarf, noch dominierten die Gussstützen den Skelettbau. Nach der Jahrhundertwende indes setzte sich auch hier rasch der Stahl durch. In Ermangelung geeigneter Profile wurden die Stützen zunächst üblicherweise aus mehreren U-Profilen und Bindeblechen zusammengesetzt; dies war arbeitsintensiv und damit teuer. Den Durchbruch zu geeigneten Stützenprofilen markierten erst die Breitflanschträger. Benannt nach ihren Produzenten als Differdinger (mit geneigten Gurten) oder Peiner (mit parallelen Flanschen), wurden sie rasch zu stehenden Begriffen. Ergänzend kamen zur Beförderung des Wohnungsbaus in Stahlskelettbauweise für die dort in der Regel nur geringen Lasten in den späten 1920er Jahren sehr kleine Breitflansch- und U-Profile mit Profilhöhen von nur 10 und 12 cm auf den Markt. [DIN 1031]

Abb. 9: Ergebnisse von Druckversuchen an speziell für den Stahllamellenbau entwickelten Stützenprofilen, durchgeführt im Staatlichen Material-Prüfungsamt, Berlin-Dahlem, dem Vorläufer der BAM Berlin, 1927. [Spiegel 1928]

Abb. 9: Ergebnisse von Druckversuchen an speziell für den Stahllamellenbau entwickelten Stützenprofilen, durchgeführt im Staatlichen Material-Prüfungsamt, Berlin-Dahlem, dem Vorläufer der BAM Berlin, 1927. [Spiegel 1928]

Abb. 10: Wandausbildung im Stahlskelettbau mit trocken versetzten Gasbeton-Platten („Aerokretskelettbauweise“), Mitte 1920er Jahre. [Schulze 1928]

Abb. 10: Wandausbildung im Stahlskelettbau mit trocken versetzten Gasbeton-Platten („Aerokretskelettbauweise“), Mitte 1920er Jahre. [Schulze 1928]

Abb. 11: Durch Punktschweißung hergestellte Leichtprofilreihen des Systems Berloy für den Stahlhausbau. Die daraus konstruierten Rahmen waren so leicht ausgebildet, dass sie von nur drei Mann aufgerichtet werden konnten. [Spiegel 1928, S.42]

Abb. 11: Durch Punktschweißung hergestellte Leichtprofilreihen des Systems Berloy für den Stahlhausbau. Die daraus konstruierten Rahmen waren so leicht ausgebildet, dass sie von nur drei Mann aufgerichtet werden konnten. [Spiegel 1928, S.42]

Als gebräuchlichstes Verbindungsmittel hatte sich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts der Niet etabliert. Dies sollte auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch so bleiben. Schrauben waren noch relativ teurer und weniger tragfähig; zudem konnten sie – gerade im Brückenbau – klappern und sich lösen. Zum Einsatz kamen sie zunächst nur in Sonderfällen, etwa für Anschlüsse an gusseiserne Bauglieder, deren Sprödigkeit die schlagende Montage des Nietes nicht zuließ. Erst zur Jahrhundertmitte hin konnten sie sich als ebenbürtig und schließlich überlegen durchsetzen – vor allem, als höherfeste Werkstoffe und die daraus resultierende Option der Vorspannung (HV-Schrauben) ihre Tragfähigkeit deutlich über die der Niete hinaus wachsen ließ.

Abb. 12: Der in den 1920er Jahren entwickelte, fahrbare „Universal-Apparat“ der Maschinenfabrik Eßlingen konnte zum Nieten, Schleifen, Bohren und Meißeln gleichzeitig genutzt werden; das Nieten geschah dabei mit einem Presslufthammer. [Rasch 1928, S.55]

Abb. 12: Der in den 1920er Jahren entwickelte, fahrbare „Universal-Apparat“ der Maschinenfabrik Eßlingen konnte zum Nieten, Schleifen, Bohren und Meißeln gleichzeitig genutzt werden; das Nieten geschah dabei mit einem Presslufthammer. [Rasch 1928, S.55]

Abb. 12: Der in den 1920er Jahren entwickelte, fahrbare „Universal-Apparat“ der Maschinenfabrik Eßlingen konnte zum Nieten, Schleifen, Bohren und Meißeln gleichzeitig genutzt werden; das Nieten geschah dabei mit einem Presslufthammer. [Rasch 1928, S.55]

Abb. 12: Der in den 1920er Jahren entwickelte, fahrbare „Universal-Apparat“ der Maschinenfabrik Eßlingen konnte zum Nieten, Schleifen, Bohren und Meißeln gleichzeitig genutzt werden; das Nieten geschah dabei mit einem Presslufthammer. [Rasch 1928, S.55]

Die Schweißtechnik hatte sich Mitte der 1920er Jahre im Maschinen- und Fahrzeugbau ebenso wie im Behälter- und Schiffsbau bereits einen festen Platz erobert. Zu Beginn dieses Jahrzehnts entstanden in den USA, Großbritannien und Belgien auch erste geschweißte Stahlskelettbauten. In Deutschland jedoch konstatierten noch 1928 die Brüder Rasch in Wie bauen?: „Die ideale Verbindung eiserner Bauelemente wäre die Verschweißung. Aber so weit sind wir noch nicht. Wir müssen uns damit begnügen, das Haus zusammenzunageln, das heißt, die einzelnen Bauglieder miteinander zu vernieten.“ [Rasch: Wie bauen?, S. 55] Erst 1929 wurden hier mit dem Staatenhaus der Pressa Köln und der Luppebrücke in Leipzig die ersten Schweißkonstruktionen errichtet. Als treibende Kraft für die weitere Verbreitung des Schweißens erwies sich die Deutsche Reichsbahn. Ihre Bemühungen zielten insbesondere auf den Brückenbau; schon Anfang der 1930er Jahre standen ihr zur Qualitätskontrolle zuverlässige Prüfverfahren wie die Durchstrahlung der Nähte zur Verfügung. 1931 kamen mit der DIN 4100 erste Vorschriften für geschweißte Stahlbauten heraus. Maßgeblich trugen sie dazu bei, das Schweißen zu einer dem Nieten und Schrauben ebenbürtigen Verbindungstechnik zu machen. Die weitere Entwicklung konzentrierte sich auf die Verbesserung der Nahtgüten, die genauere Erfassung der mit dem Schweißen verbundenen Gefahren hinsichtlich Versprödung und verringerter Dauerfestigkeiten sowie die Senkung der Kosten durch den Einsatz von Schweißautomaten. Die raschen Fortschritte der Schweißtechnik waren dabei mit z.T. dramatischen Schadensfällen verbunden, insbesondere bei der vorschnellen Anwendung auf höherfeste Stähle. Spektakulär waren die Untergänge von etwa 90 der 2000 im Zweiten Weltkrieg in den USA serienmäßig geschweißten Liberty – Schiffe, die ohne jede Feindeinwirkung vermutlich infolge zu hoher Schrumpfspannungen im Atlantik schlagartig zerrissen und sanken.

II.3. Brand- und Korrosionsschutz

Dass Stahlbauten zwar nicht brennbar sind, aber im Brandfall erstaunlich rasch versagen können, war bereits im 19. Jahrhundert durch eine Reihe spektakulärer Großbrände bewusst geworden. 1908 hatte der verheerende Brand von San Francisco im Gefolge des großen Erdbebens darüber hinaus lehrbuchartig aufgezeigt, wie wenig wirksam verschiedene der bis dahin entwickelten Brandschutzbekleidungen in der Realität waren. In den 1920er Jahren begannen in Deutschland, gestützt auf erste entsprechende Arbeiten zum Hochhausbau in den USA, systematische Untersuchungen zum Brandverhalten von Stahlbauteilen. Erste Feuerwiderstandsklassen von 45 und 90 Minuten wurden eingeführt, Normbrandkurven definiert, zwischen feuerbeständigen und feuerhemmenden Bauweisen unterschieden [vgl. z.B. Spiegel: Grundlagen, 1930]. Im Mittelpunkt aber stand die Suche nach Bekleidungsmaterialien für Stahlbauteile, die größtmögliche Leichtigkeit mit verlässlichem Schutz zu verbinden versprachen. Zunehmend wurde die klassische Ziegel-Ummauerung durch Beton (auch im Torkret-Spritzverfahren) durch Putze auf Drahtgewebe, Gipsplatten, gebrannte Hohlziegel oder auch Gasbeton-Steine ersetzt. Das Problem wird in den Fachbüchern der 1920er Jahre intensiv diskutiert [Hawranek: Stahlskelettbau, S.157ff; Spiegel: Stahlhausbau 2, S. 35ff; Schulze: Stahlskelettbau, S.48ff.].

Abb. 14: Brandschutz einer Stahlstütze durch Verkleidung mit Hohlziegeln. [Spiegel 1931, S.40]

Abb. 14: Brandschutz einer Stahlstütze durch Verkleidung mit Hohlziegeln. [Spiegel 1931, S.40]

Abb. 15: Brandschutz eines Stahlunterzugs durch Verkleidung mit Hohlziegeln und Spezialformsteinen. [Spiegel 1931, S.40]

Abb. 15: Brandschutz eines Stahlunterzugs durch Verkleidung mit Hohlziegeln und Spezialformsteinen. [Spiegel 1931, S.40]

Für die Korrosionsbeständigkeit historischer Stahltragwerke sind keine anderen Aspekte maßgeblich als für heutige – der konstruktive Rostschutz, die praktische Ausführung sowie die Art der Beschichtung. Für letztere waren bereits seit dem 19. Jahrhundert Öllacke auf der Basis von Leinöl verbreitet, die eine gute Verbindung mit der Oberfläche des Stahls versprachen. Dies sollte auch im 20. Jahrhundert so bleiben. Üblicherweise wurden auf einen Grundanstrich von Bleimennige bleiweißhaltige Zwischenanstriche und ein Deckanstrich aufgebracht. Die Giftigkeit der bleihaltigen Anstriche, die die Korrosion des Stahls durch Bindung des Sauerstoffs verhindern, war bekannt. Versuche mit alternativen Pigmenten blieben jedoch nur sehr begrenzt erfolgreich. [Eine hervorragende Zusammenstellung zum Stand des Korrosionsschutzes um 1930 bei Spiegel: Grundlagen, 1930, S. 46ff]. Bereits in der Zwischenkriegszeit wurden deshalb erste korrosionsträge Stähle entwickelt, die allerdings anders als im Maschinenbau im Bauwesen noch keine nennenswerte Verbreitung fanden. Zudem nutzte man schon die Feuerverzinkung. Erst jedoch, als in der zweiten Jahrhunderthälfte auch große Verzinkungsbäder technologisch beherrschbar wurden, sollte sie sich zu einer echten und bald überlegenen Alternative entwickeln.

Problematisch war lange die praktische Ausführung des Rostschutzes. Seit dem 19. Jahrhundert hatten die Stahlbaufirmen den Rostschutz in der Regel den späteren Nutzern überlassen; diese hatten für die Säuberung der bereits errichteten Stahlbauten von Rost und Zunder und die anschließenden Anstriche Sorge zu tragen. Im Werk wurden allenfalls einige später nicht mehr zugängliche Bereiche wie die Kontaktflächen der Fachwerkknoten bereits mit einem Rostschutz-Anstrich versehen. Erst in den 1930er Jahren übernahmen die Lieferanten allmählich die Verantwortung für eine vollständige Grundbeschichtung der Stahlbauteile, die nach der Montage nur noch mit Zwischen- und Deckanstrichen zu versehen waren. Die bis dahin praktizierte Aufgabenteilung führte zu zahlreichen Problemen und Mängeln. Aufgrund unzureichenden Schutzes waren etwa die Berührungsflächen in Fachwerkknoten besonders korrosionsgefährdet, vor allem aber auch die Längsfugen der weitverbreiteten Blechträger, an denen deren einzelne Bleche mittels Winkelprofilen zusammen gefügt sind.

Abb. 16: Korrosion, Kabelkanal des Hochbahnviadukts in der Schönhauser Allee, Berlin-Prenzlauer Berg. [Aufnahme Heres ca. 2006]

Abb. 16: Korrosion, Kabelkanal des Hochbahnviadukts in der Schönhauser Allee, Berlin-Prenzlauer Berg. [Aufnahme Heres ca. 2006]

Abb. 17: Spaltkorrosion, Laufgang am Gasbehälter Demmin. [Aufnahme Lorenz 2009]

Abb. 17: Spaltkorrosion, Laufgang am Gasbehälter Demmin. [Aufnahme Lorenz 2009]

Abb. 18: Spaltkorrosion an einem zusammengesetzten Profil, Kaminkühler Kokerei Zollverein, Essen. [Aufnahme Lorenz 2008]

Abb. 18: Spaltkorrosion an einem zusammengesetzten Profil, Kaminkühler Kokerei Zollverein, Essen. [Aufnahme Lorenz 2008]

Als größter Schwachpunkt vieler historischer Stahltragwerke muss indes der konstruktive Rostschutz gelten. Häufig waren sie in Hinblick auf die Vermeidung stehenden Wassers, die Verhinderung von Schmutzansammlungen und damit beständiger Feuchte oder auch die gute Zugänglichkeit aller Bauglieder mangelhaft durchdacht – bis hin zu den für Nietkonstruktionen typischen, zahlreichen Anschlusswinkeln, die häufig den Wasserabfluss hemmen. Ungeachtet dessen haben zahlreiche Stahltragwerke in Innen- und Dachbereichen selbst über viele Jahrzehnte kaum Schaden genommen – wohl auch deshalb, weil Stahl problemlos nahezu korrosionsfrei bleibt, so lange die Luftfeuchte unter 65% liegt.

II.4. Tragwerke

Bei den Tragwerken offenbart sich im Stahlbau des 20. Jahrhunderts ein äußerst reichhaltiges Spektrum. Im Brückenbau reicht es von den Blechträgern und Stabbögen des beginnenden Jahrhunderts bis zu den orthotropen Platten und Stahl-Beton-Verbundbauweisen der Nachkriegszeit. Während erstere seit den 1950er Jahren dem Stahlbau – in Konkurrenz zum Betonbau – das Feld der Flächentragwerke erschlossen, indem Längsrippen, Quer- und Hauptträger unter Einbeziehung des darüber durchlaufenden Deckbleches orthotrop zu einem Trägerrost verschweißt wurden, zielten letztere auf das Zusammenführen unterschiedlicher Werkstoffe und die Aktivierung der jeweiligen Vorzüge in einem Mischtragwerk. Besondere Bedeutung kam dabei dem Verbund an der Schichtgrenze zu. Neben „klassischen“ Bauweisen mit Dübeln in der Verbundfuge wurden interessante Sonderlösungen entwickelt; verwiesen sei nur auf geklebte Verbundbrücken, die seit den 1960er Jahren in der DDR realisiert wurden und sich bis heute bewährt haben [z.B. Hänsch/Mündecke: Stahl-Stahlbeton-Verbundbrücken]. Ähnlich weit ist die Bandbreite im Hallenbau; sie reicht von den extrem leichten Fachwerkbindern der Jahrhundertwende über Raumtragwerke wie die Junkerschen Lamellen-Dächer der 1920er Jahre bis hin zu den frei geformten Gitterschalen jüngerer Zeit. Charakteristisch für die ersten Jahrzehnte ist vor allem die Ablösung der bis dahin vorherrschenden Bogen- und Stützen-Riegel-Tragwerke durch Rahmenkonstruktionen – sei es mit „geschlossenen“ Vollwand-Querschnitten wie beispielsweise beim Neubau des Berliner Bahnhofs Zoologischer Garten 1932-40 mit 38 m Spannweite für die Haupthalle, sei es – insbesondere bei größeren Spannweiten – mit aufgelösten Fachwerk-Querschnitten wie z.B. bei den Berliner Messehallen. Eine verlässliche Bemessung auf Grundlage der Elastizitätstheorie gehörte zwischenzeitlich für beide Bauweisen zum Standardrepertoire der Bauingenieure – sei es die graphische Ermittlung der Schnittkräfte im Fachwerk, seien es die analytischen Verfahren zur Berechnung niedrig statisch unbestimmter Systeme.

Abb. 19: Junkersches Lamellen-Dach, Knotenpunkt mit leichten Z-Profilen und darüber liegenden Bimsbeton-Dielen, Ende der 1920er Jahre [Spiegel 1928, S.13]

Abb. 19: Junkersches Lamellen-Dach, Knotenpunkt mit leichten Z-Profilen und darüber liegenden Bimsbeton-Dielen, Ende der 1920er Jahre [Spiegel 1928, S.13]

Die einschlägige Literatur liefert zur Struktur-Typologie im Stahlbau diverse Übersichten [z.B. bei Werner/Seidel: Eisenbau, für Brücken kompakt auch bei Geißler/Graße/Brandes, Stahlbrücken]. Hervorgehoben seien deshalb nur einige Besonderheiten im Geschossbau. Gerade hier nämlich sieht man dem Haus den Stahlbau oft zunächst in keiner Weise an. Nicht nur viele Büro- und Verwaltungsbauten der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, sondern auch die ersten Hochhäuser Deutschlands wie der 65m hohe Borsig-Turm in Berlin-Tegel (1922-24) waren noch nach der im 19. Jahrhundert verbreiteten „Trägerbauweise“ konzipiert: Massive Außenwände, die die Aussteifungsfunktion übernahmen, umgaben ein lediglich innen liegendes Tragskelett. Dieses konnte problemlos als Gelenksystem ausgebildet sein. Die Frage einer stahlbautypischen Systemaussteifung stellte sich noch nicht, die äußere Wahrnehmung war bestimmt durch eine scheinbar massive, z.B. historisierende Architektur. Ein Stahlbau muss nicht aussehen wie ein Stahlbau.

Abb. 20: Borsig-Turm, Berlin-Tegel. Der 1924 fertig gestellte Borsig-Turm gilt als Berlins erstes Hochhaus. Trotz seiner 65 m Höhe ist er jedoch kein Stahl-Skelettbau, sondern wurde noch in der aus dem 19. Jahrhundert stammenden „Trägerbauweise“ (Mauerwerksbau mit innerem Stahlgerüst) errichtet. [Lindner / Schmalfuß 1987, S.61]

Abb. 20: Borsig-Turm, Berlin-Tegel. Der 1924 fertig gestellte Borsig-Turm gilt als Berlins erstes Hochhaus. Trotz seiner 65 m Höhe ist er jedoch kein Stahl-Skelettbau, sondern wurde noch in der aus dem 19. Jahrhundert stammenden „Trägerbauweise“ (Mauerwerksbau mit innerem Stahlgerüst) errichtet. [Lindner / Schmalfuß 1987, S.61]

Während die Tradition der Systemaussteifung durch Wandscheiben für den Hochhausbau in den USA zunächst bestimmend blieb, entwickelte sich der Ende der 1920er Jahre dann auch in Deutschland einsetzende „echte“ Stahlskelettbau in eine andere Richtung. Hier favorisierte man Rahmentragwerke. Ein faszinierendes frühes Beispiel dafür bietet das Berliner Shellhaus (1930-32), dessen raffinierte Aussteifungskonzeption auf den Berliner Ingenieur Gerhard Mensch zurückgeht. In mehreren grundlegenden Publikationen, die noch heute als hervorragend gelten können, entwickelte Mensch richtungsweisende Grundlagen für die konsequente Systemaussteifung von Stahlskelettbauten [Mensch: Aussteifung; s.a. Hawranek: Stahlskelettbau]. Konstruktiv lag die Schwierigkeit bei den Rahmenbauweisen vor allem in der Ausbildung technisch verlässlicher, berechenbarer und auch wirtschaftlicher Lösungen für die oft hoch beanspruchten biegesteifen Rahmenecken und Trägeranschlüsse. In rascher Folge kamen dafür verschiedene Varianten zur Anwendung. So fanden seit etwa 1930 durch Schrauben gesicherte Verkeilungen große Verbreitung, bevor sich dann seit den späten 1930er Jahren vollständig geschweißte Rahmenecken durchzusetzen begannen [vgl. Werner/Seidel: Eisenbau, S.190].

Abb. 21: Aussteifung durch biegesteife Rahmenbildung, Lochner-Haus, Aachen, Entwurf Emil Fahrenkamp, 1924. An jeder der vier Seiten des Turmes stehen zwei zwölfstöckige Stahl-Rahmen; der zeitgenössische Kommentator weist ausdrücklich auf die erhöhten Kosten wegen der auftretenden Biegemomente und den dadurch erhöhten Stahlverbrauch hin. [Schulze 1928, S.24]

Abb. 21: Aussteifung durch biegesteife Rahmenbildung, Lochner-Haus, Aachen, Entwurf Emil Fahrenkamp, 1924. An jeder der vier Seiten des Turmes stehen zwei zwölfstöckige Stahl-Rahmen; der zeitgenössische Kommentator weist ausdrücklich auf die erhöhten Kosten wegen der auftretenden Biegemomente und den dadurch erhöhten Stahlverbrauch hin. [Schulze 1928, S.24]

Abb. 22: Konstruktive Ausbildung eines Stockwerksrahmens mit aufwendigen Rahmenecken, Woga-Hotel Berlin [Hawranek 1931, Abb.173]

Abb. 22: Konstruktive Ausbildung eines Stockwerksrahmens mit aufwendigen Rahmenecken, Woga-Hotel Berlin [Hawranek 1931, Abb.173]

Abb. 23: Rahmenecke im Haus Suschitzky, Prag [Hawranek 1931, Abb. 139]

Abb. 23: Rahmenecke im Haus Suschitzky, Prag [Hawranek 1931, Abb. 139]

Es kann nicht verwundern, dass die Reform-Architektur der 1920er Jahre den Stahlskelettbau auch für den „kleinen“ Wohnungs- und Siedlungsbau entdeckte. Im Vergleich zum traditionellen Backsteinbau versprach er nicht nur neue Gestaltungsfreiheiten und kompromisslose Modernität, sondern vor allem eine Senkung der Baukosten und eine Verkürzung der Bauzeiten durch seriell gefertigte Halbzeuge und industriell geprägte Bauverfahren – Aspekte, die angesichts der verbreiteten Wohnungsnot von großer Bedeutung waren. Zwar standen dem Stahl-Wohnungsbau in Deutschland gerade in den 1920er Jahren diverse bürokratische Hindernisse entgegen, da viele Bauaufsichtsbehörden beispielsweise die für Hochhäuser entwickelten Anforderungen an die Windverbände einfach auf die hier ja maximal zwei- bis dreigeschossigen Bauten übertrugen. Gleichwohl wurden von verschiedener Seite engagiert unterschiedliche Konstruktionsweisen erprobt und zur Schau gestellt. Dicht gestellte Stockwerkrahmen finden sich ebenso wie geschossweise aufeinander gesetzte Stütze-Riegel-Konstruktionen, geschraubte Stöße ebenso wie bereits in der Werkstatt geschweißte Verbindungen. [z.B. Schaal: Baukonstruktionen, S.15ff] Im Fokus der Optimierungsbestrebungen standen die Minimierung des Materialaufwandes, die montagegerechte Vereinfachung der Verbindungen und Details, die Einführung durchgehender Trockenbauweisen sowie die – modularisierte – Abstimmung zwischen Tragwerk, Hülle und Ausbau.

Im Übrigen kamen bereits in den 1920er Jahren auch in Deutschland Stahlhaussysteme auf den Markt, bei denen nicht nur das Tragwerk, sondern auch die Außenhaut aus Stahl gefertigt war – sei es als Tafelbauweise mit einfachen Blechen, die nicht mehr als eine Hülle waren, sei es als Lamellenbauweise, bei der die abgekanteten Bleche ohne zusätzliche Pfosten auch die Tragfunktion übernahmen. Ulrike Robeck hat die Entwicklung dieser Stahlhäuser am Beispiel des rheinisch-westfälischen Industriegebiets von den 1920er Jahren über das MAN-Haus der 1940er und 1950er bis zum Hoesch-Bungalow der 1960er und zum Thyssen-Haus-System der 1970er Jahre nachgezeichnet. [Robeck: Wohnhäuser aus Stahl].

Abb. 24: „Stahllamellen-Bauweise“, System Blecken, demonstriert an Zigaretten-Schachtel-Decken. Mit vier Lamellengrundtypen (Dachlamelle, Wandlamelle, Fensterlamelle und Ecklamelle) lässt sich der gesamte Stahl-Plattenbau konstruieren. [Rasch 1928, S.103]

Abb. 24: „Stahllamellen-Bauweise“, System Blecken, demonstriert an Zigaretten-Schachtel-Decken. Mit vier Lamellengrundtypen (Dachlamelle, Wandlamelle, Fensterlamelle und Ecklamelle) lässt sich der gesamte Stahl-Plattenbau konstruieren. [Rasch 1928, S.103]

Die vielfältigen Stahlbauweisen – nicht nur im Geschossbau – lassen in der Zusammenschau einige zentrale Optimierungskriterien erkennen, die das 20. Jahrhundert kennzeichneten. Zu nennen ist hier zunächst und nicht überraschend das Streben nach möglichst leichten Strukturen als eines Wesenselementes von Ingenieurtätigkeit. Die Entwicklung höherfester Stähle steht ebenso in diesem Zusammenhang wie die Forschungen zur besseren theoretischen Modellierung von Stabilitätsproblemen. Gleichwohl stieß dieses Streben vielfach an Grenzen, die von anderen Optimierungskriterien gesetzt wurden. Je teurer etwa die Arbeit in Relation zum Material wurde, umso größere Bedeutung erhielten beispielsweise Gesichtspunkte wie die Mechanisierung der Vorfertigung, einfachste Montage oder die Minimierung des künftigen Wartungsaufwands. Unabhängig davon ist insbesondere im Stahlbau des 20. Jahrhunderts ein weiterer Grundsatz unübersehbar: Die zur Verfügung stehenden berechenbaren Modelle bestimmten den Entwurf der Strukturen. Die Statik dominierte den Stahlbau. Sie gab ihm Sicherheit, aber der Preis dieser bedinglosen Orientierung an beherrschbaren statischen Systemen war hoch: Erinnert sei nur an die immer „perfekteren“ Zergliederungen durch System-Schnittstellen wie Gelenke, Fugen oder spezielle Lager – Elemente, die die Systeme zwar einer verlässlichen Kalkulation erschlossen, konstruktiv aber viele Probleme mit sich brachten. Was statisch nicht beherrschbar war, blieb ausgeblendet, so problematisch die Umsetzung des statischen Systems in die Realität auch sein mochte. Erst seit den 1980erJahren beginnt sich hier z.B. mit frei geformten Gitterschalen oder den aktuell viel diskutierten Integral-Brücken, die gerade keine Fugen und Lager mehr besitzen, ein neues Denken abzuzeichnen. Von entscheidender Bedeutung sind dabei die zwischenzeitlich jedem Tragwerksplaner vertrauten Finite-Elemente-Methoden, die durch weitgehende Automatisierung im PC mit relativ geringem Aufwand sehr feine und realitätsnahe Tragwerksmodellierungen ermöglichen. Sie eröffnen die Option, die Statik wieder auf die ihr angemessene Rolle im Stahlbau zu beschränken – die eines guten Werkszeuges. Nicht mehr, und nicht weniger.

III. Diagnostik

Die Charta von Victoria Falls sieht mit diagnosis, safety evaluation und design of the intervention drei aufeinander folgende Phasen der Erkundung, Bewertung und Entwicklungsplanung historischer Tragwerke vor. Die ersten beiden Phasen sind unverzichtbar: „Before making a decision on structural intervention it is indispensable to determine first the causes of damage and decay, and then to evaluate the safety level of the structure.“[ICOMOS: Charta von Victoria Falls, Abs. 2.6]

Im deutschen Sprachraum hatten Klaus Pieper und Fritz Wenzel mit ähnlichen Zielsetzungen schon in den 1980er Jahren den Kanon Anamnese – Diagnose – Therapie – Prognose zu etablieren begonnen und dabei stets die medizinische Analogie hervorgehoben. So wichtig dieser Ansatz für die Entwicklung einer Strategie der Tragwerkserhaltung war – wirklich präzise ist die Analogie nicht. Schaut man genauer hin, nutzt die Medizin nämlich mit Diagnose und Diagnostik zwei Begriffe, die fein zwischen Produkt und Prozess differenzieren. Diagnose bezeichnet die genaue Zuordnung von Befunden zu einem Krankheitsbegriff oder einer Symptomatik; sie steht am Ende des Untersuchungsprozesses, gleichsam als Fazit. Diagnostik hingegen bezeichnet den Erkenntnisprozess, der zur Diagnose führt; sie umfasst alle Untersuchungsschritte, u.a. auch die Anamnese. Im Englischen gibt es eine entsprechende Differenzierung nicht. Diagnosis meint Prozess und Produkt, meint Diagnostik und Diagnose. Im Ergebnis ist der vom ICOMOS vorgeschlagene Dreischritt diagnosis – safety evaluation – design of the intervention präziser und schlüssiger als der Vierschritt Anamnese – Diagnose – Therapie – Prognose. Wir sollten ICOMOS folgen.

Gerade in der ersten Phase lässt sich nun die Analogie zur medizinischen Diagnostik präzise ausschöpfen. Der Arzt unterscheidet dabei im Wesentlichen fünf Schritte: Die Anamnese, die körperliche Untersuchung, ergänzende Bild gebende Verfahren, die Labordiagnostik und nicht zuletzt Funktionsuntersuchungen. Analog lassen sich die fünf Schritte einer bautechnischen Diagnostik im Umgang mit historischen Stahltragwerken benennen:

1. Anamnese: Der Erarbeitung der „Krankengeschichte des Patienten“ entspricht in der Analogie die Aufbereitung der Bau-, Nutzungs-, Reparatur- und Umbaugeschichte des Tragwerks. Sie ist zunächst allein auf Grundlage der verfügbaren schriftlichen und bildlichen Quellen zu leisten; gerade im Stahlbau sollte die Klärung der Bauabläufe und Materialherkünfte ebenso dazugehören wie – im Falle größerer Veränderungen – eine erste Rekonstruktion des bauzeitlichen Bestandes und ggf. daraus resultierender Mängel.

2. Konstruktive Bestandsaufnahme: Die „körperliche Untersuchung“ des Tragwerks meint dessen genaue, gleichwohl rein visuelle Inaugenscheinnahme mit dem Ziel einer ersten Erfassung des realen Bestandes und seines aktuellen Zustandes. Es geht um die scheinbar simple Frage: Was steht da wirklich? In der Regel ist sie freilich gar nicht simpel, weicht doch die gebaute Realität oft erheblich von dem in den verfügbaren Quellen dargestellten Bild ab. Der Planabgleich zum Tragwerk prüft Struktur-Abmessungen, Profile, Verbindungsdetails oder Lagerungen. Die Zustandserfassung erfasst Korrosion, fehlende Verbindungsmittel, auffällige Verformungen oder Hinweise auf mangelnde Funktionalität an sich beweglicher Lager.

Abb. 25: Handnahe Untersuchung im Rahmen einer Konstruktiven Bestandsaufnahme, Hochbahnviadukt nahe Oberbaumbrücke, Berlin-Kreuzberg. [Aufnahme Lorenz 1998]

Abb. 25: Handnahe Untersuchung im Rahmen einer Konstruktiven Bestandsaufnahme, Hochbahnviadukt nahe Oberbaumbrücke, Berlin-Kreuzberg. [Aufnahme Lorenz 1998]

Abb. 26: Handnahe Untersuchung im Rahmen einer Konstruktiven Bestandsaufnahme, Kaminkühler Kokerei Zollverein, Essen. [Aufnahme Lorenz 2008]

Abb. 26: Handnahe Untersuchung im Rahmen einer Konstruktiven Bestandsaufnahme, Kaminkühler Kokerei Zollverein, Essen. [Aufnahme Lorenz 2008]

3. In-situ-Untersuchungen: Wie in der Medizin haben auch in der Bauwerksdiagnostik zerstörungsfreie oder –arme „Bild gebende Verfahren“ unmittelbar am Objekt in jüngerer Zeit außerordentliche Bedeutung gewonnen. Für diese Vertiefung der visuellen Inspektion stehen im Stahlbau sehr leistungsfähige Methoden zur Verfügung, die dem Ziel der minimal-invasiven Diagnostik verpflichtet sind. Das Spektrum reicht von einfachen Härteprüfungen mit dem Kugelschlaghammer über das sichtbar machen von Oberflächenrissen mit dem Magnetpulver- oder Farbeindringverfahren, die Bestimmung von (Rest-)Wanddicken durch Ultraschall-Untersuchungen und die Gitterschnittprüfung zur Funktionsuntersuchung von Beschichtungen bis hin zur Erkennung verborgener Risse und Fehlstellen durch Durchstrahlungen mit Röntgen- oder γ-Strahlen. Einen hervorragenden Überblick über die Möglichkeiten zerstörungsfreier Prüfung im Bauwesen liefert das ZfPBau-Kompendium der Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung [http://www.bam.de/microsites/zfp_kompendium/welcome.html], weitere Hinweise in Abs. 6.

Abb. 27: Belastungsversuch mit definierter Last, Berlin, Hochbahnlinie 1 [Aufnahme Lorenz 1999]

Abb. 27: Belastungsversuch mit definierter Last, Berlin, Hochbahnlinie 1 [Aufnahme Lorenz 1999]

Abb. 28: Messung des Beanspruchungszustandes über Dehnmessstreifen DMS, Berlin, Hochbahnlinie 1 [Aufnahme Lorenz 1999]

Abb. 28: Messung des Beanspruchungszustandes über Dehnmessstreifen DMS, Berlin, Hochbahnlinie 1 [Aufnahme Lorenz 1999]

Abb. 29: Riss-Untersuchung eines nicht zugänglichen Knotenblech-Bereichs durch Durchstrahlung, Berlin, Hochbahnlinie 1 [Aufnahme Lorenz 1999]

Abb. 29: Riss-Untersuchung eines nicht zugänglichen Knotenblech-Bereichs durch Durchstrahlung, Berlin, Hochbahnlinie 1 [Aufnahme Lorenz 1999]

4. Laboruntersuchungen: Ungeachtet der Fortschritte der zerstörungsfreien In-situ-Prüfung sind auch im Stahlbau labordiagnostische Untersuchungen für viele Fragestellungen nach wie vor unerlässlich. Sie zielen auf die Bestimmung ganz unterschiedlicher Materialparameter. Zu nennen sind etwa „Klassiker“ wie der Zugversuch zur Bestimmung der Arbeitslinie (und damit von Streckgrenze, Zugfestigkeit und Bruchdehnung des Materials), die chemische und die Gefüge-Analyse oder der Baumann-Abdruck, mit dem sich örtliche Schwefelkonzentrationen im Stahlquerschnitt nachweisen und daraus Aussagen zur Schweißeignung ableiten lassen. Die Zähigkeit (und damit auch die Sprödbruchneigung infolge z.B. Alterung) lässt sich durch Kerbschlagbiegeversuche messen, bei denen die bis zum Bruch der Proben benötigte Schlag-Energie erfasst wird; Dauerschwingversuche wiederum identifizieren bruchmechanische Materialparameter zur Bewertung der Ermüdungssicherheit. Die für diese zerstörungsarmen Prüfverfahren zu entnehmenden Probekörper brauchen heute nicht mehr groß zu sein. Üblich ist die Kernbohrscheibe von lediglich 65 mm Durchmesser, aus der Klein-Zugproben ebenso gewonnen werden können wie Proben für Rissfortschrittsversuche und die Gefügeanalyse [vgl. z.B. Geißler/Graße/Brandes: Stahlbrücken, S.506ff].

 Abb. 30: Charakteristische Arbeitslinie (σ-ε-Diagramm) für einen Baustahl, 1924. Vertikal aufgetragen sind die Spannungen im Zugstab, horizontal dessen zugehörige Dehnungen. Auf den weitgehend elastischen Bereich (bis E) folgen der „Fließbereich“ (bis Fu) und der „Verfestigungsbereich“ (bis B); danach reißt die Probe [Bleich 1924, Abb.79].

Abb. 30: Charakteristische Arbeitslinie (σ-ε-Diagramm) für einen Baustahl, 1924. Vertikal aufgetragen sind die Spannungen im Zugstab, horizontal dessen zugehörige Dehnungen. Auf den weitgehend elastischen Bereich (bis E) folgen der „Fließbereich“ (bis Fu) und der „Verfestigungsbereich“ (bis B); danach reißt die Probe [Bleich 1924, Abb.79].

5. Systemidentifikation: So wie der Arzt im Zuge der Funktionsuntersuchungen Wirkungsweise und Zusammenspiel verschiedener Körperbereiche zu identifizieren sucht, muss auch der Ingenieur schließlich die Wirkungsweise des Tragwerks als Ganzes zu verstehen suchen und daraus ein möglichst realitätsnahes Systemmodell ableiten. Was funktioniert wie? Wie steif sind welche Gelenke? Wie beweglich ist die angeblich feste Einspannung? Welche bislang unberücksichtigten Sekundär-Tragglieder beteiligen sich in der Realität am primären Lastabtrag?
Erst die angemessene Modellierung des Stahl-Tragwerks und seiner Belastungen als Tragstruktur und Einwirkungen erschließt das reale System einer zuverlässigen statischen Berechnung und Bewertung – sei es in Hinblick auf verborgene Tragreserven, sei es zur Erfassung bislang unberücksichtigter, systemimmanenter Risiken. Als letzter Schritt der Diagnostik ist diese „Systemidentifikation“ von entscheidender Bedeutung für die Qualität der zusammenfassenden Diagnose, eröffnet doch erst sie die Möglichkeit einer angemessenen und effektiven Intervention. Der „Knackpunkt“ ist dabei die bestmögliche Einstellung der dem Modell eigenen „Stellschrauben“. Diese Kalibrierung des Modells erfolgt im Abgleich mit Beobachtungen oder Messungen am realen Objekt – seien es Einzelmessungen, z.B. im Rahmen von Probebelastungen, seien es Dauermessungen durch ein längeres, automatisiertes Monitoring.

Systemidentifikation sollte stets als potenziell schrittweiser Prozess verstanden werden. Oft konkretisiert sich erst im Wechsel zwischen Fortschritten der rechnerischen Modellierung und Fortschreibung des Messkonzepts nach und nach ein realitätsnahes Abbild der Struktur. Etwas vereinfacht gesagt: Im Neubau steht das Systemmodell zu Beginn, im Umgang mit historischen Bauten bildet es den Abschluss eines oft langen Erkenntnisprozesses. Die Ergebnisse sind vielfach überraschend. Kleine Änderungen der Stellschrauben haben erhebliche Auswirkungen – auch für Stahlbauten des 20. Jahrhunderts, die doch bereits auf scheinbar verlässlicher baustatischer Grundlage entworfen und detailliert wurden.

Bautechnische Diagnostik ist die historische Bauforschung des Ingenieurs: Das reale Tragwerk steht im Fokus des Interesses. Am Ende steht dann mit der Bestands-Diagnose die bestmögliche Beschreibung des realen Zustandes einschließlich seiner Entstehung und Entwicklung. Die grundsätzliche Bedeutung dieses Zugangs wurde in der Literatur bereits vielfach aufgezeigt, ein anschauliches Beispiel der Leistungsfähigkeit für den Stahlbau geben die Untersuchungen an einem noch im Original von 1902 erhaltenen Teilstück des Hochbahnviaduktes in Berlin-Kreuzberg [Lorenz/Fischer: Bestandsaufnahme und Systemmodellierung].

Jeder Einzelfall freilich fordert sein „maßgeschneidertes“ Untersuchungskonzept. Wie in der Medizin sollte auch im Stahlbau die Sinnhaftigkeit jeder einzelnen diagnostischen Maßnahme sorgfältig abgewogen werden. Welchen Erkenntnisgewinn verspricht sie, welche Beeinträchtigungen, welche Risiken sind damit verbunden? Was kostet sie? Welche diagnostischen Schritte im Einzelnen dann auch in der Diskussion zwischen Tragwerksplaner und Labor vereinbart werden – immer sollte der grundlegende Dreiklang „Schauen – Messen – Rechnen“ Berücksichtigung finden. Keiner dieser drei Zugänge zur Realität des Tragwerks sollte vernachlässigt werden. Erst aus ihrer Vernetzung erwächst Qualität.

IV. Bewertung

Die Bewertung als zweite Phase der planerischen Auseinandersetzung thematisiert auf Grundlage der zuvor erarbeiteten Diagnose das Sicherheitsniveau des historischen Tragwerks, etwa in Hinblick auf die Tragfähigkeit, die Gebrauchstauglichkeit oder auch den Ermüdungszustand: „Safety evaluation is aimed at determining the acceptability of safety levels by analysing the present condition of the structure and materials”. [Roca: Historical Structures, S.13]. Sehr unterschiedliche Anlässe erfordern ggf. im Stahlbau eine Klärung des realen Sicherheitsniveaus – ungeachtet dessen, dass Eisen- und Stahlbauten die ersten Bauwerke in Deutschland waren, für die statische Berechnungen angefertigt und baupolizeilich gefordert wurden, und sich die zugehörigen Bemessungsverfahren bereits auf noch bis vor kurzem übliche Konzepte stützten. Dennoch kann im Einzelfall bereits die historische Bemessung oder ihre bauliche Umsetzung schlicht fehlerhaft sein. Vor allem aber kommen aktuelle Anlässe für eine Neubewertung in Betracht. Zu nennen sind etwa:

  • Veränderte Einwirkungen wie etwa höhere Verkehrslasten im Zusammenhang mit Umnutzungen, wie erhöhte Ausbaulasten z.B. bei der Anpassung von Bürogebäuden an heutige Standards (Medienführungen in Doppelböden, abgehängte Decken etc.), wie schwerere Verglasungen bei Oberlichtern oder auch wie schwerere Züge oder LKWs bei Brücken.
  • Neu zu berücksichtigende Einwirkungen wie z.B. Eislasten in Kombination mit Wind – ein Lastfall, der nach dramatischen Schadensfällen erst jetzt in der DIN 1055 (Lastannahmen) angemessene Berücksichtigung fand und insbesondere bei filigranen Stahltragwerken zu einer deutlichen Erhöhung des Lastniveaus führen kann.
  • Neu zu berücksichtigende Versagensoptionen, derer sich die alten Konstrukteure zumindest in ihrer Tragweite noch nicht bewusst waren wie etwa des Problems der Stabilität eines Gesamtsystems.
  • Zeitabhängige Materialveränderungen durch z.B. Korrosionsprozesse wie etwa Spaltkorrosion oder Kontaktkorrosion [vgl. Herrmann: Kontaktkorrosion] oder auch infolge von Alterung des Stahls und der daraus resultierenden Versprödung – ein Problem, das insbesondere bei stickstoffreichen Stählen wie dem Thomasstahl von Bedeutung ist [Baehre/Käpplein: Zeitabhängige Änderungen].
  • Ermüdung des Materials durch dynamische oder wechselnde Beanspruchungen wie etwa aus Wind- oder Verkehrslasten. Gerade für viele historische Stahlbrücken sind die bauzeitlich der Ermüdungsberechnung unterstellten Lebenserwartungen von maximal 100 Jahren längst erreicht – nicht nur aus Gründen des Denkmalschutzes ist eine Neubewertung dann unumgänglich.

Für eine verlässliche Bewertung der aus diesen Anlässen resultierenden Veränderungen des Sicherheitsniveaus steht dem Ingenieur heute eine Reihe gut entwickelter Methoden zur Verfügung.

  • Statische und dynamische Berechnungen: In der Regel sind die bauzeitlichen statischen Berechnungen nicht falsch. Vielmehr faszinieren sie oft gerade durch klare, einfache Methodik und handwerkliche Brillanz. Immer sollten sie als Ausgangspunkt für eine Neubemessung Berücksichtigung finden. Gleichwohl bieten heute rechnergestützte Verfahren wie Finite-Element-Methoden (FEM) die Möglichkeit, den realen Lastfluss differenzierter abzubilden und damit das tatsächliche Beanspruchungsniveau im Stahltragwerk besser zu erfassen. Die Grundlage sollte das in der Systemidentifikation bestimmte Modell bilden. Neue Einwirkungen, dynamische Einflüsse, erweiterte Versagensoptionen und die heute üblichen Teilsicherheitskonzepte können zu einer weiteren Differenzierung beitragen. Auch für die Bewertung von konstruktiven Details wie z.B. Anschlüssen können die verbesserten Berechnungsverfahren wertvolle Hinweise geben. So erweisen sich etwa historische Nietverbindungen aus heutiger Sicht wegen des günstigen, bislang nicht berücksichtigten Einflusses der Vorspannkraft auf die Tragwirkung als in verschiedener Hinsicht leistungsfähige und interessante Verbindungsmittel.
  • Materialbewertungen: Während die Materialuntersuchungen selbst – in situ wie im Labor – in der Regel erfahrenen Prüfanstalten obliegen, ist für die Bewertung der Befunde und die daraus zu ziehenden Folgerungen vornehmlich der Tragwerksplaner verantwortlich. Manchmal ist dies eher einfach. Bei Streckgrenzen und Festigkeiten der Stähle des 20. Jahrhunderts sind in der Regel keine großen Überraschungen und etwa verborgene, deutliche Tragfähigkeitsreserven zu erwarten; die Laboruntersuchungen bestätigen hier üblicherweise mehr oder weniger die zeitgenössisch angesetzten Kennwerte.
    Schwieriger hingegen ist etwa die Bewertung eingetretener Alterungen. So mag der aktuelle Grad einer alterungsbedingten Versprödung im Labor durch Kerbschlagbiegeversuche relativ genau bestimmt sein. Diese Versprödung muss nun kein, sie kann aber ein Problem sein. Für das künftige Sicherheitsniveau entscheidend ist vor allem die Einordnung der Versuchsbefunde in den Gesamtalterungsprozess des Stahls: Ist mit einer weiteren Erhöhung der diagnostizierten Sprödbruchneigung zu rechnen – oder ist die Alterung bereits abgeklungen? Der Forschungsstand hierzu ist noch begrenzt, für die Beurteilung bieten sich jedoch zwei Möglichkeiten an. Die eine führt zurück zum unbekannten Ausgangszustand, der sich durch die Glühbehandlung einer Probe näherungsweise rekonstruieren lässt; er erlaubt Rückschlüsse auf den zwischenzeitlich erreichten Grad der Alterung. Die andere führt zum zu erwartenden Endzustand, in dem die noch anstehende Rest-Alterung durch Auslagerung von Proben bei erhöhten Temperaturen zumindest abgeschätzt wird.
  • Ermüdungsuntersuchungen: Auch zur Beurteilung der Ermüdungsbruchsicherheit stehen heute zwei im Prinzip verlässliche Methoden zur Verfügung; das Problem liegt jedoch in beiden Fällen in der Bestimmung der richtigen Eingangswerte.
    Das auf den preußischen Eisenbahningenieur August Wöhler (1819–1914) zurück gehende „Wöhlerkonzept“ wird heute standardmäßig für die Dimensionierung z.B. neuer Brücken genutzt. In Auswertung jahrzehntelanger Versuchsreihen und Erfahrungen schreibt es für eine bestimmte Spannungsdifferenz eine zulässige endliche Anzahl von Lastwechseln für ein Stahlbauteil durch z.B. Überfahrten fest. Die unterschiedlichen zugehörigen Grenzkurven, die „Wöhlerlinien“ hängen dabei von der konstruktiven Detailausbildung ab. Wegen der exponentiellen Teilung der Abszisse, auf der die zulässigen Lastwechsel angetragen sind, haben bereits kleine Variationen der anzusetzenden Spannungsdifferenz erhebliche Auswirkungen auf die Lebensdauer-Prognose. Bei der Anwendung des Wöhlerkonzepts im Bestand kann damit eine – z.B. messungsgestützte – Reduzierung der Last- Eingangswerte um wenige Prozent eine signifikante Erhöhung, z.B. eine Verdoppelung der anzusetzenden Lebensdauer nach sich ziehen. Sollten die ermüdungsrelevanten Spannungsdifferenzen gar unterhalb des „Schwellwertes der Dauerfestigkeit“ Δ бD liegen, gibt es nach heutigem Kenntnisstand gar kein Ermüdungsproblem. Als problematisch jedoch kann sich in der konkreten Tragwerksbewertung die Beschaffung der notwendigen Angaben zur Belastungsgeschichte erweisen: Wie hoch war die Anzahl der Lastwechsel in den bisherigen Nutzungsphasen des Bauwerks? Das Wöhlerkonzept braucht Aussagen zur Geschichte. Eben diese sind manchmal nur begrenzt verlässlich. Als Alternative hat sich in den letzten Jahrzehnten der aus dem Flugzeug-, Maschinen- und Anlagenbau stammende bruchmechanische Nachweis etabliert, der keiner Aussagen zur Belastungsgeschichte bedarf. Er geht von einem bereits gerissenen Zustand aus. Die bruchmechanische Detail- Untersuchung erlaubt Prognosen für den zu erwartenden Rissfortschritt und die damit verbundenen Risiken. Ist das Risswachstum noch stabil, können die Risiken z.B. durch vorgegebene Inspektionsintervalle kalkulierbar gemacht werden. Ist es nicht mehr stabil, wird die Erneuerung oder Verstärkung des rissgefährdeten Baugliedes erforderlich. Von entscheidender Bedeutung ist auch hier die Größe der Spannungsdifferenzen als Eingangswerte; für die Notwendigkeit ihrer bestmöglichen präzisen Erfassung gilt damit dasselbe wie „bei Wöhler“. Nietverbindungen haben sich im Übrigen hinsichtlich der Materialermüdung als wesentlich gutmütiger erwiesen als Schweißverbindungen, die stets zu örtlichen Versprödungen führen; eben deshalb wird den Nieten im Flugzeugbau seit Jahrzehnten der Vorzug gegeben.

Abb. 31: Frühe Darstellung von „Wöhlerlinien“ für einen Baustahl St 37, 1936. Die Linien begrenzen für verschiedene Detailvarianten die maximal zulässige Spannungsdifferenz in Abhängigkeit von der (logarithmisch angetragenen!) Lastspielzahl. [Klöppel 1936, S.99]

Abb. 31: Frühe Darstellung von „Wöhlerlinien“ für einen Baustahl St 37, 1936. Die Linien begrenzen für verschiedene Detailvarianten die maximal zulässige Spannungsdifferenz in Abhängigkeit von der (logarithmisch angetragenen!) Lastspielzahl. [Klöppel 1936, S.99]

Abb. 32: Heutige Wöhlerlinien für verschiedene „Kerbfälle“. Wie schon 1936, begrenzen die Linien die maximal zulässige Spannungsschwingbreite in Abhängigkeit von der (logarithmisch angetragenen!) Lastspielzahl. Wird etwa ein Tragwerk des Kerbfalls 71, der für genietete historische Verbindungen angesetzt werden kann, mit einer Spannungsschwingbreite von etwa 60 N/mm2 beansprucht, dann darf über die gesamte Lebensdauer des Tragwerks die Anzahl der Lastspiele nicht mehr als 5 Millionen betragen – bei einer höheren Anzahl oder einer höheren Spannungsschwingbreite ist die „Dauerfestigkeit“ nicht mehr gewährleistet. [Geißler e.a. 2006]

Abb. 32: Heutige Wöhlerlinien für verschiedene „Kerbfälle“. Wie schon 1936, begrenzen die Linien die maximal zulässige Spannungsschwingbreite in Abhängigkeit von der (logarithmisch angetragenen!) Lastspielzahl. Wird etwa ein Tragwerk des Kerbfalls 71, der für genietete historische Verbindungen angesetzt werden kann, mit einer Spannungsschwingbreite von etwa 60 N/mm2 beansprucht, dann darf über die gesamte Lebensdauer des Tragwerks die Anzahl der Lastspiele nicht mehr als 5 Millionen betragen – bei einer höheren Anzahl oder einer höheren Spannungsschwingbreite ist die „Dauerfestigkeit“ nicht mehr gewährleistet. [Geißler e.a. 2006]

  • Probebelastungen und Monitoring: Nicht nur zur Systemidentifikation im Rahmen der Diagnose, sondern auch für die Ableitung von Sicherheitsaussagen im Zuge der Bewertung können Probebelastungen oder automatisierte Dauermessungen entscheidende Daten liefern, etwa, indem sie rechnerisch nicht erfasste oder erfassbare Reserven aufzeigen. Das Prinzip ist alt, im Stahl- und Stahlbetonbau des 19. und frühen 20. Jahrhunderts noch galten derartige Tragfähigkeitsnachweise als selbstverständlich. Im Laufe des Jahrhunderts traten sie zunächst zunehmend in den Hintergrund, nun ist eine Renaissance zu beobachten. Zu ihr haben u.a. die beeindruckenden Probebelastungen von Klaus Steffens beigetragen [Steffens/Manleitner /Schulze: Experimentelle Tragsicherheitsbewertung]. Auch rechnergestützte Dauermessungen sind zwischenzeitlich weit verbreitet [Hermsmeyer/ Rietdorf: Monitoringsysteme] und werden in größeren Forschungszusammenhängen weiter entwickelt [Peil: Monitoring]. Die Deutsche Bahn hat Probeblastungen bereits seit langem als anspruchsvollste Untersuchungsform für bestehende Brücken in ihren Regelwerken verankert [Deutsche Bahn: Modulfamilie 805], auch für den Stahlbetonbau wurde vor einigen Jahren eine entsprechende Richtlinie etabliert [DAfStB: Richtlinie 2000]. Auf europäischer Ebene erarbeitet das SAMCO-Netzwerk gegenwärtig eine Monitoring Guideline [Rücker/Rohrmann/Hille: Guidelines]; ISO-Codes für Dauermessungen zur Strukturbewertung sind in Vorbereitung [Mehdianpour/Rücker/Rohrmann: Tragfähigkeitsbewertung].
    Grundsätzlich können Messprogramme an historischen Bauten ihre eigentliche Qualität jedoch nur bei angemessener Verankerung im Gesamtkonzept der Untersuchung gewinnen. Messungen ohne die Aufbereitung der Entstehungsgeschichte, ohne eine konstruktive Bestandaufnahme, ohne Laboruntersuchungen oder rechnerische Modellierung bringen wenig oder nichts. Erst der hybride Zugang, der methodische Dreischritt Schauen – Rechnen – Messen, sichert die angestrebte Realitätsnähe von Modell und Berechnung.
    Anders als im Bereich des Neubauens, in dem die wuchernde Verregelung zwischenzeitlich eher beklagt wird, stehen dem Ingenieur für das Weiterbauen im Bestand und die damit verbundenen besonderen Bewertungsfragen kaum spezielle technische Regelwerke zur Verfügung. Die bereits erwähnten Vorschriften der Deutschen Bahn für die Untersuchung und Bewertung bestehender Brücken bilden eine der wenigen Ausnahmen. Im Alltag des Hochbaus haben sie zwar keine praktische Relevanz, gleichwohl können sie methodisch als mustergültig gelten. In Hinblick auf die Angemessenheit eines Bewertungsverfahrens (und damit des Aufwandes) differenzieren sie nämlich zwischen verschiedenen Tiefen der Tragsicherheitsbewertung: Stufe 1 – Abschätzung, Stufe 2 – Überschlägige Ermittlung, Stufe 3 – Genaue Ermittlung, Stufe 4 – Messwertgestützte Ermittlung [Deutsche Bahn: Modulfamilie 805]. Schon für den Bereich der Straßenbrücken liegen keine vergleichbaren Regelungen vor. Auf europäischer Ebene ist jedoch eine speziell auf bestehende Stahlbauten und deren Ermüdungsbewertung ausgerichtete Guideline in Vorbereitung [European Convention: Assessment].
    Gerade weil die Verfahren der Sicherheitsbewertung bestehender Bauten kaum geregelt sind, kommt der Frage besondere Bedeutung zu, welche Berechnungs- und Bemessungsverfahren den Besonderheiten des historischen Tragwerks gerecht werden können. Oft erweisen sich die zeitgenössischen historischen Bemessungsvorschriften als besser geeignet als heutige, auf den Neubau mit heutigen Bauweisen ausgerichtete Normen. Zur Zulässigkeit des Rückgriffs auf heute nicht mehr gültige, historische Vorschriften hat die Fachkommission Bautechnik der Bauministerkonferenz im April 2008 erste wichtige Hinweise gegeben, die dies auch baurechtlich grundsätzlich ermöglichen [Fachkommission Bautechnik: Hinweise]. Wie unsinnig es sein kann, sich in Ermangelung passender Vorschriften auf Neubau-Normen zu stützen, unterstreichen im Übrigen die aktuellen „Verstärkungsmaßnahmen“ in den Dachstühlen der Eremitage Sankt Petersburg; die Nachbemessung der filigranen, über 150 Jahre alten und weitestgehend bewährten Stahltragwerke auf Grundlage der aktuellen russischern Stahlbaunormen führt dort gerade zu erheblichen Verlusten der historisch äußerst wertvollen Originalsubstanz.

V. Weiterbauen

Erst die dritte und letzte Phase in der Arbeit mit historischen Bauten ist die eigentliche Planung – „the design of the intervention (…), based on a strict consideration of the conclusions stemming from diagnosis and safety evaluation“ [Roca: Historical Structures, S.13]. Das Spektrum möglicher Formen der „intervention“ ist weit gespannt. Die denkmalpflegerischen Konzepte reichen von Alternlassen über Pflegen und Konservieren bis zum Erneuern und Rekonstruieren [Kleinmanns/Eckert: Denkmalwert], die baulichen Eingriffe von der beschränkten Instandsetzung oder Teilsanierung über die Vollsanierung bis zur Ertüchtigung oder Modernisierung des Bestandes für neue, erhöhte Anforderungen [vgl. Wapenhans/Cegla: Auslegungssache]. Mehr und mehr favorisiere ich für die Bandbreite dieser möglichen Eingriffe in Gegenüberstellung zum neu bauen den Begriff weiterbauen.

Im Prinzip sind (alte) Stahlbauten durchaus reparaturfreundlich. Sie lassen sich gut weiterbauen. Geschädigte Profile können durch gleiche oder ähnliche ersetzt werden, zum Anschluss neuer Elemente lassen sich Bohrungen einbringen, unter Umständen kann man Dinge sogar anschweißen, selbst Klebungen rücken als Reparaturmöglichkeit ins Blickfeld. Denkmalgerechte Reparaturen freilich werfen rasch erste Probleme auf. Sie resultieren aus der nicht mehr nur handwerklichen, sondern zumindest in Teilen industriell geprägten Herstellung, wenn z.B. bauzeitliche Profilreihen schlicht nicht mehr lieferbar sind. Darüber hinaus fehlt den heutigen Stahlbauern etwa für Nietverbindungen oft die handwerkliche Kompetenz. Soll Denkmalschutz nicht nur für die große Form und Struktur, sondern auch für das konstruktive Profil und Detail gelten, sind Stahlbauten nicht mehr so reparaturfreundlich. Unter Umständen erweisen sie sich gar als schwieriger als „traditionelle“, rein handwerklich produzierte und recht genau nachbaubare Bauten in Stein oder Holz.

Darüber hinaus ist dem Stahl die bereits thematisierte, gleichsam natürliche Versprödung aus Alterung oder Ermüdung eigen, die den Austausch einzelner Teile oder ganzer Bauten erzwingen kann. Viele Stahlbauten, für die sich Denkmalpflege heute (zu Recht) engagiert, wurden eben deshalb ursprünglich bewusst nur transitorisch gedacht und gebaut: „Der Skelettbau war seit je die Bauweise des Nomaden“, hieß es beispielsweise 1928 in „Wie bauen?“: „Der Skelettbau ist variabel, transportabel, transformabel – ein Zeitbau. Darum muß er billig sein. Sein geringer Materialbestandteil fällt der Zeit zum Opfer. Die metallischen Bestandteile verrosten, die organischen verfaulen, verwesen. Wo das Leben rasch seine Formen ändert, zum Beispiel in der Großstadt, ist der Skelettbau die einzig richtige Bauweise.“ [Rasch: Wie bauen?, S.160].

Die zentrale denkmalpflegerische Frage, die sich damit stellt, ist offenkundig: Wie umgehen mit einem vielleicht versprödeten Werkstoff in Bauten, die zudem von vornherein vielleicht nur als vergänglich konzipiert waren? Welche Bedeutung haben hier noch Begriffe wie „Materialität“ und „Authentizität“ des Denkmals? Bereits Walter Benjamin hatte 1935 das Problem der Authentizität im Zeichen industrieller Produktion in seiner legendären Schrift ‚Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit’ thematisiert: Es scheint, als griffen die Kategorien der Charta von Venedig hier nur noch bedingt.

Grundsätzlich lässt sich für das Weiterbauen ein einfacher Leitsatz benennen: So viel Eingriff wie nötig, so wenig wie möglich! Der beste Eingriff ist kein Eingriff. Oder anders gesagt: Wenn es gelingt, die Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit und Ermüdungssicherheit eines zu entwickelnden Baudenkmals allein mit den oben angedeuteten Modellierungs- und Bewertungsstrategien nachzuweisen, ohne dass es ertüchtigender konstruktiver Eingriffe bedarf, ist dies die beste Lösung – und sei es zumindest für einen absehbaren Zeitraum. Wenn aber doch weiter gebaut werden muss, liegen die Schwierigkeiten in der Regel weniger in der „großen“ Strukturverstärkung als vielmehr in den Detaillösungen und Fügetechniken. Gerade hier sind Ansätze und Überlegungen gefragt, die von traditionellen, eigentlich dem Neubaudenken verpflichteten Lösungen abweichen können.

So werfen etwa Reparaturen an Nietverbindungen erhebliche Probleme auf. Eine möglichst originalgetreue Rekonstruktion mit Hilfe neu gesetzter Niete muss bereits in der Planung dem Umstand Rechnung tragen, dass dafür heute klare bauaufsichtliche Regelungen fehlen und die einstmals in den Firmen tradierten praktischen Erfahrungen verloren gegangen sind. Unverzichtbar ist in diesem Fall ein geeignetes, auf den Einzelfall zugeschnittenes Qualitätssicherungskonzept. Es sollte z.B. die stete Kontrolle der Qualifikation der Ausführenden, die Herstellung von Probestücken und deren Test durch Belastungsversuche enthalten. Auch wenn der „Eiserne Steg“ in Frankfurt/Main von 1868 nicht zu den Baudenkmalen des 20. Jahrhunderts gehört, gibt doch der Bericht über seine sehr erfolgreiche Grunderneuerung einen anschaulichen Einblick in die Schwierigkeiten und Möglichkeiten des Nachbaus historischer Nietverbindungen für ein Bauwerk, das auch in Zukunft als Straßenbrücke genutzt werden soll [Möll: Altstahlschweißen und Nieten]. Als Alternative dazu kommen eigens entwickelte Nietkopfschrauben zur Anwendung, die grundsätzlich nach heutigen Vorgaben bemessen werden können und im Erscheinungsbild dem historischen Niet zumindest ansatzweise angenähert sind [Röder/ Berkel/ Hasselmann: Sanierung genieteter Stahlbaustrukturen]. So wurden etwa für die Grunderneuerung der Bahnsteighallen des Frankfurter Hauptbahnhofs spezielle HV-Schrauben mit Nietköpfen konzipiert und über eine Zulassung im Einzelfall in großem Umfang zur Anwendung gebracht [Ableidinger/ Reiter/Labonte: Hauptbahnhof Frankfurt].

Im Zusammenhang mit der Detailausbildung stellt sich immer wieder auch die Frage nach der Schweißbarkeit historischer Stähle, lassen sich doch Schweißanschlüsse in der Regel wesentlich kostengünstiger realisieren als Schraub- oder gar Nietverbindungen. Grundsätzlich ist hier bei Stählen bis aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg (!) wegen ihrer z.T. zu hohen Stickstoff- oder Kohlenstoffgehalte große Vorsicht geboten. Stickstoff führt bei Wärmeeinwirkung zur Versprödung des Materials, Kohlenstoff kann beim Schweißen Martensitbildung und in der Folge Risse verursachen. Aktuelle Forschungsarbeiten zeigen jedoch Wege zu einer differenzierten Bewertung der Schweißproblematik auf [Lüddecke: Ertüchtigung]. Im praktischen Fall muss vor jeder Konzeption von Schweißanschlüssen unbedingt zunächst die Schweißeignung des alten Stahls labortechnisch nachgewiesen werden; ein positives Zeugnis des Labors ist dann in der Regel mit einer Reihe von Auflagen für die konstruktive Ausführung versehen.

Als Alternative bieten sich geklebte Anschlüsse an, ein Verfahren, das gegenwärtig im Bereich des Neubaus mit Stahl eine gewisse Renaissance erfährt. Auch für historische Stahltragwerke sind hier interessante Lösungen vorstellbar, die bislang aber noch nicht praktiziert wurden. Erfahrungen gibt es jedoch bereits mit Klebeverstärkungen durch CFK-Lamellen, insbesondere an historischen Guss-Bauteilen.

Wie sehr im Umgang mit historischen Stahlbauten Ansätze jenseits der traditionellen Lösungsmuster gefragt sind, zeigt sich nicht zuletzt bei der Frage des Korrosionsschutzes. So muss etwa bei historischen Brücken die klassische, mit Sandstrahlen bis auf den nackten Stahl verbundene Grunderneuerung nach 30 Jahren nicht immer die beste Lösung sein. Sie ist verlässlich, aber sie hat auch Nachteile: Umfangreiche Einhausungen sind unverzichtbar, das bleihaltige Strahlgut muss aufwändig entsorgt werden, und die heute üblichen Neubeschichtungen überziehen das Tragwerk wie ein dehnbarer Film, der eventuelle erste Anrisse überdecken und der Erfassung durch die regelmäßige Bauwerksprüfung entziehen kann. Wenn die Bleimennige des Grundanstrichs chemisch noch nicht „verbraucht“ ist, und das ist durchaus häufig der Fall, dann ist – auch aus ökologischer Sicht – zu fragen: Warum einen noch wirksamen Grundanstrich entfernen, als giftigen Sondermüll deponieren und durch eine zwar umweltverträglichere, aber weniger verlässliche Neubeschichtung ersetzen? Warum nicht stattdessen die Bleimennige auf dem Stahl belassen, sie weiter wirken zu lassen und um sie herum ein differenziertes Teilerneuerungs-Konzept entwickeln? Es ist schwierig, derartige Strategien in der Praxis umzusetzen. Gewährleistungsprobleme, ein erhöhter Befundungs- und Planungsaufwand und vor allem mentale Barrieren türmen Hindernisse auf. Interessant ist eine derartige Teilerneuerung trotzdem, auch und gerade in wirtschaftlicher Hinsicht. In der Gesamtbilanz kann sie, selbst langfristig gesehen, kostengünstiger sein als die Grunderneuerung. Erste Beschichtungssysteme für solche Konzepte, die nicht mehr den gestrahlten Stahl als Untergrund voraussetzen, stehen in den „Technischen Lieferbedingungen (…) für Beschichtungsstoffe für den Korrosionsschutz von Stahlbauten“ [TL/TP KOR-Stahlbauten, AnhangE, Bl.94] bereit.

VI. Ausblick

Mehr und mehr hat sich den letzten Jahren das Weiterbauen als eigenständiges Gebiet im Bauingenieurwesen etabliert. Auf zunehmend wissenschaftlicher Grundlage werden dem Bestand eigene Fragestellungen entwickelt und angepasste Methoden zu ihrer Lösung entwickelt. Sie unterscheiden sich oft grundlegend von denen des Neubaus. Die Aufgaben sind vielschichtig und schwierig: „Beim Bauen im Bestand benötigt der Planer oftmals hohe ingenieurtechnische Fachkompetenz. Dies vor allem deshalb, weil die Anwendung von ursprünglichen bautechnischen Vorschriften und aktuellen Technischen Baubestimmungen häufig unumgänglich ist. Jeder Fall ist ein Einzelfall, bei dem unter Wahrung der Sicherheit Aspekte der Nutzung, der Wirtschaftlichkeit und gegebenenfalls der Ästhetik abzuwägen sind.“ [Fachkommission Bautechnik: Hinweise und Beispiele, S. 5].

Auch im Bereich des Stahlbaus steht zwischenzeitlich ein breit gefächertes Spektrum spezifischer Strategien, Verfahren und Kompetenzen für das Bauen im Bestand zur Verfügung. Richtig angewandt, können sie erheblich zu Erhalt und Entwicklung auch der Baudenkmale des 20. Jahrhunderts beitragen. Doch, und das lehrt die Erfahrung: Es sind nur selten echte „statische“ Gründe, die ernsthaft den Bestand eines Baudenkmals bedrohen. Sieht man von tatsächlich durch Ermüdung „verbrauchten“ oder bauphysikalisch extrem ungünstigen Bauten ab, sind die Baudenkmale des 20. Jahrhunderts in der Regel vielmehr durch bestimmte Vorstellungen und Interessen der Eigentümer und Nutzer gefährdet – sei es der Wunsch nach einem „moderneren“, scheinbar repräsentativeren Haus, sei es die Hoffnung auf langfristige Kostensenkung durch ein vermeintlich einfacher zu betreibendes Gebäude, sei es schlichte Ignoranz gegenüber den Werten des baulichen Erbes. Der gegenwärtig zu beobachtende Verfall selbst von Inkunabeln der Avantgarde-Architektur in Russland ist dafür ein anschauliches Beispiel. Insofern ist der Umgang mit dem baukulturellen Erbe in der Regel ein Spiegelbild weniger der technischen Notwendigkeiten und Möglichkeiten als vielmehr der dominierenden gesellschaftlichen Haltung zur eigenen Geschichte. Den Diskurs darüber zu befördern und immer neu anzustoßen, ist weit mehr als eine technische Aufgabe.

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Ausgewählte Literaturhinweise

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Bleich, Friedrich: Theorie und Berechnung der eisernen Brücken. Berlin: Springer 1924

Rasch, Heinz und Bodo: Wie bauen? Materialien und Konstruktionen für industrielle Produktion. Jahresausgabe 1928, Stuttgart: Akademischer Verlag Dr. Fritz Wedekind & Co. 1928.

Schulze, Konrad Werner: Der Stahlskelettbau. Geschäfts- und Hochhäuser. Stuttgart: Wissenschaftlicher Verlag Dr. Zaugg & Co. 1928

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Hawranek, Alfred: Der Stahlskelettbau mit Berücksichtigung der Hoch- und Turmhäuser. Berlin, Wien: Springer 1931.

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Deutscher Stahlbau-Verband (Hg.): Deutscher Stahlbau, Berlin 1937

Deutscher Stahlbau-Verband (Hg.): Vom Werdegang der Stahlbauwerke, Berlin 1939

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Dahm-Zeppenfeld, Karin: Feuerarbeit. Bilder aus der Dortmunder Hüttenindustrie 1850 -1950. Essen: Klartext-Verlag 1998

Geißler, Karsten; Graße, Wolfgang; Brandes, Klaus: Bewertung bestehender Stahlbrücken, in: Kuhlmann, Ulrike (Hg.): Stahlbau-Kalender 2006, Berlin: Ernst & Sohn 2006, S. 486-548.

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