Der Bau als Quelle

Bauaufnahme, Baubefund und das denkmalpflegerische Konzept

_ von Gert Th. Mader

 

Die Bauten der jüngeren Architekturgeschichte unterscheiden sich in vieler Hinsicht, unter anderem baugeschichtlich und technisch, von denen aus vorindustrieller Zeit. Schrift- und Bildquellen sind generell wesentlich ausführlicher erhalten, auch wenn es in Einzelfällen Enttäuschungen geben kann. In der Regel existieren amtlich genehmigte Eingabepläne, oft auch Werkplanungen, Baubeschreibungen, vielleicht auch noch Verträge und Leistungsverzeichnisse. Da die meisten der heute als Baudenkmale eingestuften Bauten bereits zum Zeitpunkt ihrer Planung und Erbauung Aufmerksamkeit beanspruchen sollten, sind Publikationen nicht selten. Photographische Abbildungen – sogar von Innenräumen -können vorausgesetzt werden. Allerdings ändert sich an der Methode der kritischen Beurteilung der Schrift- und Bildquellen nichts. Zeitgenössische Publikationen sind sogar mit besonderer Vorsicht zu nutzen. Die Bauwerke bestehen teilweise aus neu entwickelten, noch unerprobten Baustoffen; wenn traditionelle Baustoffe vorkommen, sind sie meist anders verarbeitet und im Verbund mit neu entwickelten Technologien und Bausystemen unerwarteten Beanspruchungen ausgesetzt. Die Produktion von Architektur hat sich gewandelt. Dies betrifft gleichermaßen Entwurf, Methode und Technik der Errichtung, Finanzierung, Nutzung und Nutzerinteresse. Die Bauten selbst sind inzwischen verändert, nicht selten umgebaut, gegenüber der Intention des Entwerfers oder Bauherrn verfremdet, auch gealtert wie Bauwerke früherer Epochen. Sind Voruntersuchungen für Instandsetzungen dieser Denkmälergruppe daher anders durchzuführen als bei den älteren Baudenkmalen? Und sind andere Maßstäbe für die Erhaltungspraxis zu setzen?

Auf die zweite Frage gibt Norbert Huse in seinem Artikel „Facetten eines Baudenkmals“ zum Einsteinturm von Erich Mendelsohn (1887-1953)1 mit eindeutigen Argumenten die klare Antwort: Die Anforderungen der Denkmalpflege können nicht aufgeweicht werden, die Maßstäbe für die Erhaltung der Bauten der Moderne müssen die gleichen wie bei älteren Denkmalen bleiben, da Unterschiede in Baualter, Bauabsicht, Baugestalt, Technik usw. die Grundsätze und Grundanliegen der Erhaltung nicht tangieren. Daraus ist auch abzuleiten, dass Vorarbeiten für eine Instandsetzung und Erhaltung der Bausubstanz von ebensolcher Ernsthaftigkeit und fachlicher Kompetenz getragen sein müssen, wie sie für archäologische Situationen oder Bauten vorangehender Jahrhunderte zur Steuerung von Entscheidungen notwendig ist. Die auftretenden Fragen und die auf sie abzustimmenden Wege der Beantwortung werden vom Einzelfall bestimmt. Die im Folgenden gegebenen Hinweise gelten nicht nur für Bauten der sogenannten Moderne des 20. Jahrhunderts, sondern – wegen der bau- und planungstechnischen Analogien – auch für den Baubestand ab der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Denkmalpflegerisches Vorsichtsgebot: Bei allen Voruntersuchungen sollte vorrangig die Vermeidung weiterer Substanzverluste im Auge behalten werden. Daher gilt auch: Während der Untersuchung dürfen Verluste nicht vorweggenommen werden. Nicht selten werden schadhafte Bauteile durch die Schadensermittlung weiter zerstört; solche Sorglosigkeit wird gern mit dem Argument verteidigt, dass der schadhafte Bereich sowieso aufgegeben werden müsse, d.h. die konservatorischen Alternativen der Materialfestigung und der Reduzierung der Materialbeanspruchung werden für das Bauwesen von vornherein nicht als Option einbezogen, sind eventuell auch nicht bekannt. Weitere Verluste entstehen dadurch, dass Bereiche des Bauwerks als unpassend, nicht „original“, d.h. nicht aus der Bauzeit stammend eingestuft werden. Nicht selten wird dann von Anfang an achtlos, eventuell sogar aggressiv mit ihnen umgegangen. Das sofortige Entfernen jüngerer Bauzustände ist beliebt; oft wird es mit der besseren Zugänglichkeit für die Bauaufnahme oder Untersuchung begründet, dann wieder mit der Wertlosigkeit, dem schlechten Aussehen und weiteren negativen Bewertungen. Auch Oberflächen sind gefährdet, beispielsweise, wenn hässliche oder belanglos erscheinende neuere Tapeten einfach weggerissen werden und der Untergrund dabei erheblich verletzt wird. Die spontane Abneigung gegen Teile des Bestands hat nicht selten auch zu ungewollten Verlusten der ursprünglichen Bauperiode geführt.

Denkmalpflege reduziert auf Gestaltung? Bei der Beräumung und Voruntersuchung sollte also die Vorwegnahme eines denkmalpflegerischen Konzepts durch Teilabbrüche oder größere Freilegungen vermieden werden. Schonende Voruntersuchungen sollen ja erst zu einem solchen Konzept führen. In den letzten Jahrzehnten konnte die gutachtliche Praxis der Denkmalpflege verbessert werden. Inzwischen gibt es bei relativ vielen Vorhaben zu einem frühen Zeitpunkt ein Gutachten zur Notwendigkeit und Art einer Bestandsaufnahme und anschließend ein auf ihr basierendes denkmalpflegerisches Rahmengutachten, in dem Auflagen oder Vorschläge formuliert sind; zunehmend auch konservatorische Ziele.

Die Realität der Baustellen hinkt jedoch immer noch weit hinterher. Es ist nach wie vor Praxis, dass trotz schonender Voruntersuchung bei der späteren Baudurchführung alle schadhaften Bereiche aufgerissen und abgebrochen werden, wobei die Umgebung meterweit beschädigt wird. Dann werden nach den technischen Kenntnissen aus dem Neubauwesen sowie heutigen Ansprüchen folgend neue Bauteile eingebaut. Der Restbestand des Baudenkmals steht nach vollendeter Sanierung des Rohbaus dem Architekten und Kunsthistoriker für eine revidierte Urteilsfindung zur Verfügung; jetzt kann überlegt werden, was aus ihm noch gemacht werden könnte und inwieweit das ursprüngliche Rahmengutachten jetzt noch verfolgt werden kann. Aus der eventuell konservatorischen Zielsetzung wird – je nach Intensität der Eingriffe – ein zwangsläufig gestalterisches Konzept, bei dem das Bemühen im Vordergrund steht, die beschädigten Oberflächen wieder zu schließen und über teilerneuerten Baukonstruktionen zu rekonstruieren. Alternative wäre die völlige Aufgabe restlicher Oberflächen und die Neugestaltung. Damit wäre der alte Streit der Gestalter wieder aufgewärmt: Anpassung oder Kontrast, und das eigentliche Ziel der Erhaltung wieder aus den Augen verloren.

Diese Vorgehensweise hat sich bei denkmalpflegerisch qualifizierten Maßnahmen der letzten Jahrzehnte schrittweise geändert, sofern in der Baupraxis neue Fachgrundlagen für technische Alternativen nach dem Vorbild restauratorischer Konservierungsmethodik und mittels baugeschichtlich begründeter Entscheidungsfilter erarbeitet wurden. Die Eingriffe in die Konstruktion unterliegen bei erhaltungsorientierten Vorhaben zunehmend konservatorischen Vorgaben. Die Gestalt (nicht Gestaltung) des Baudenkmals muss weiterhin ein wesentlicher Aspekt bleiben, aber andere treten seitdem hinzu. Welche Aspekte und Charakteristika sind als untrennbare Eigenschaften auch bei den Bauten der Moderne zu beachten?

Die Alterung. Der Begriff des Alterswertes spielte in den letzten Jahrzehnten in der Denkmalpflege, wenn überhaupt, dann literarisch eine Rolle. Dabei gehört das Alter zu den grundsätzlich und immer vorhandenen Eigenschaften des alten Bauwerks, ein Faktum, welches, wie beim Menschen auch, charakterprägend ist. Die Wertschätzung des Alters variiert generationen- und bildungsbedingt. Was dem einen ehrwürdig erscheint, kann dem anderen hinfällig und unzeitgemäß sein. Wird Patina von Kupfer immer noch als Ergebnis der Alterung allgemein anerkannt, sieht das beim verwitterten Stein schon anders aus. Der jetzige überreinigte Zustand des Regensburger Doms wäre vor zwei Generationen noch als unerträglicher Verlust der geschichtlichen Würde empfunden worden. Inzwischen finden bereits viele Menschen den Dom neuwertig schön und zu den vorbeifahrenden sauberen Autos besser passend. Altersspuren und Reinigung sollten im Rahmen eines denkmalpflegerischen Konzepts heute nicht als Gestaltungsziele beurteilt werden, sondern als Geschichtsaussagen unter Beachtung der konservatorischen Anforderungen. Bei der in diesem Artikel angesprochenen Bautengruppe, bei der zunehmend neu entwickelte Baustoffe verbaut wurden, die leistungsfähiger, aber auch haltbarer und dauerhafter als die herkömmlichen sein sollten, besteht bezüglich der dennoch unvermeidlichen Alterung ein in jeder Hinsicht erhebliches Problem der denkmalpflegerischen Beurteilung.

Baugeschichtliche „Biographie“. Auch die Bauten der Moderne haben inzwischen eine Vergangenheit an Umnutzungen, baulichen Veränderungen und Umgestaltungen hinter sich, die man als baugeschichtliches Faktum anerkennen muss. Manchmal können diese Veränderungen – zum Beispiel die politisch veranlassten des nationalsozialistischen Regimes – von besonderer geschichtlicher und warnender Bedeutung sein. Andere Veränderungen sind häufig, wenn nicht inzwischen sogar durchgängig. Dazu gehören der Ersatz originaler, bewusst oft auch programmatisch entworfener Details wie Fenster, Türen, Ausstattungen durch Baumarkt-Ware. Um ein Urteil für Entscheidungen zur Pflege des Baudenkmals zu gewinnen, müssen die unterschiedlich motivierten Veränderungen aufgeklärt werden. Im günstigen Fall können die einzelnen Bauteile, Ausstattungen, Renovierungsschichten identifiziert und den Veränderungsperioden zugeordnet werden. Bauperioden integrieren die jeweils vorangehenden Perioden oder ersetzen und zerstören kleinere oder größere Teile davon. Das Bauwerk soll in diesen aufeinanderfolgenden Zuständen verstanden werden. Diese „Biographie“ des Bauwerks ist ein vom Original untrennbarer Sachverhalt und erfordert nach ihrer Aufklärung die anschließende Bewertung im Rahmen des Konzepts.

Die Baukonstruktion ist eine elementare Qualität des Bauwerks, da die Gestaltvorstellungen des Architekten entweder absichtlich oder gewohnheitsgemäß bereits beim Entwurf immer eng mit der Baukonstruktion zusammenhängen und mit deren Möglichkeiten realisiert werden. Der nur am Erscheinungsbild Interessierte wird, wenn er konkrete Erfahrungen mit der Materialität als Voraussetzung der Gestalt macht, bald erkennen, dass die Konstruktion in allen Erscheinungsbildern, seien es Plastizität, Tektonik, Oberflächenwirkung usw., so unwillkürlich mitspricht, dass ein gleicher Gestalteffekt mit einer anders gearteten Konstruktion nicht oder nur schlecht erzielt werden kann. Waschbeton ist eben nur am Betonkorpus herstellbar. Glatte, spiegelnde Oberflächen erfordern metallische oder gläserne Untergründe. Zwar können auch beschichtete Kunststoffe anfangs ähnlich wirken; die Alterung wird bald ein deutlich anderes Bild erzeugen. Abgesehen von dieser dienenden Funktion hat die Bau- und Verkleidungskonstruktion, also das gesamte konstruktive Repertoire, eine für sich eigenständige Denkmalaussage, die mit Attributen wie: typisch oder typenbildend, durchdacht, kühn, neuartig, avantgardistisch, elegant auch in technische und kunstgeschichtliche Bewertungskategorien der Denkmalpflege hineinreicht.

Spezifische Qualitäten und Charakteristika kommen bei jedem Bauwerk individuell dazu. Gerade die hier im Mittelpunkt stehenden Bauten leben von dezidiert beabsichtigten Eigenschaften der Übereinstimmung von Form und Zweck. Aber auch dort, wo Architekturen dem Heimatstil verpflichtet sind und die Form nicht der Funktion folgt, bleibt die Zweckbestimmung trotz gestaltender Zutaten erkennbar. Beispielsweise aufgrund anderer Charakteristika wie der Erschließung und Raumgruppierung. Der gesellschaftlichen, politischen oder der sozialen Funktion des Bauwerks entsprechen Entwurfs- bzw. Baulösungen, deren Charakteristika die Denkmaleigenschaft bestimmen. Sie schlagen sich wie früher auch in Fassadenlösungen und Baukörperanordnungen nieder. Zudem zeigen sie sich in spezifischen Organisationsformen im Inneren, etwa durch Einrichtungen, Materialien und Gebrauchsspuren bis hin zu scheinbar unauffälligen Spuren des ursprünglichen Konzepts. Kurz gesagt: Sie werden von den Eigenheiten der „Substanz“ überliefert. Deren Entfernung, Umwandlung, Ersatz bis hin zum völligen Umbau hätte auch den Verlust ihrer Denkmalaussage zur Folge.

Wollen wir diese Aussagen (oder Informationen) als wichtig anerkennen, müssen wir ein Konzept entwickeln, welches die technische Realisierung der Erhaltung der Trägersubstanz der Aussage, so gut es geht, zur Grundlage hat. Das denkmalpflegerische Konzept ist also zuerst ein konservatorisch-technisches Konzept, in dem die vorliegende Gestalt auch Berücksichtigung finden muss. Eine besondere Frage stellt sich bei den Umbauten und Umgestaltungen der später hinzukommenden Perioden, die der Mode einer späteren Zeit folgten oder auch wichtige geschichtliche, sogar schicksalhafte Hintergründe haben können. Der Denkmalpfleger muss, nachdem die Forschung ihn informiert hat, zu Wertungen kommen. Beabsichtigt er, Bauperioden zu eliminieren und vorangegangene Perioden zu rekonstruieren, greift er einerseits in geschichtliche Abläufe ein (eine geistige Problematik) und verursacht andererseits bauliche Verluste und Konsequenzen, deren Umfang er selten überblickt. Hier muss ihm die Forschung erneut zur Seite stehen und über die Folgen der Absicht informieren. Die „Forschung“: das ist das Team aus historischer Bauforschung und weiteren Disziplinen, die das Denkmal „lesen“ können. Das Instandsetzungskonzept enthält Abwägungen bezüglich der Verluste von Substanz, sprich: Information, sowie alle Überlegungen zur Anwendung von Technologien zur Erhaltung und Sicherung mit ihren Auswirkungen.

Schrift- und Bildquellen. Ihre Auffindung und Sichtung kann erhebliche Auswirkungen auf Art und Intensität der Untersuchungen haben und Geld sparen. Gerade bei den Bauten der jüngeren Vergangenheit spielen wie schon gesagt Entwurfs-, Werkpläne, Genehmigungen mit ihren Auflagen, alte Fotos, Verträge, vor allem über die Beauftragung von Firmen und deren Leistungen, Abnahmeprotokolle usw. eine wichtige Rolle. Es ist anzunehmen, dass sie genauere Auskünfte geben und auch von uns besser verstanden werden, als Archivalien früherer Zeiten. Werkpläne sind ab Anfang des 20. Jahrhunderts in der Regel präzise, auch genau vermaßt und haben sich bis in die 1980er Jahre in ihren Informationskürzeln kaum verändert. Sie sind als Schlitzpläne einfach zu lesen, jedoch im Detail oft abweichend ausgeführt. Meist ist der Architekt selbst noch Projektant, manchmal auch Statiker. Es muss überprüft werden, ob der Werkplan auch der gültige, ausgeführte ist. Die Stichproben am Bauwerk beinhalten deshalb auch Probemessungen, Prüfung der Baumaterialien und sollen das Verhältnis zwischen der ursprünglichen Ausführung (Bauperiode I) und späteren Umbauten abschätzen lassen. Ein „Ausgeführt“ – Stempel mit Datum erhöht die Gewissheit, dass die gezeichneten Eigenschaften auch realisiert wurden. Auf die Stichproben am erhaltenen Bauwerk zur Prüfung der Richtigkeit darf dennoch nicht verzichtet werden. Die kritische Bewertung ist auch bei anderen Unterlagen nötig: durch Vergleich untereinander und vor allem mit dem Bauwerk. So sind beim Einsteinturm in Potsdam Werkplansätze sehr genau ausgearbeitet und für den Kenner der damaligen Ausbildung Mendelsohns bei Theodor Fischer in München auch als solche erkennbar. Einige von ihnen sind undatiert. Zugleich gibt es Detailpläne einiger Situationen und den Genehmigungsplansatz. Er datiert „Sept. 1920“ in Werkplanqualität, außerdem liegen als Bestandspläne einzuordnende Zeichnungen zur Publikation 1924 vor, die für die Veröffentlichung in „Wasmuths Monatsheften“ freigegeben sind. Insgesamt also ein ausgezeichnetes, aber auch komplexes Quellenmaterial, das von Christine Hoh-Slodczyk für die Bauuntersuchung zusammengestellt und kritisch gewürdigt wurde.2 Beim Corbusier-Bau in der Weißenhofsiedlung musste Claudia Mohn demgegenüber Lücken in den Planungsunterlagen und Baudokumenten mit Voruntersuchungsleistungen kompensieren.

Verwendung alter Pläne. Fällt die Stichproben – Prüfung vorhandener Werkpläne (1:50 -Plansatz) positiv aus, kann man sich eine Neuaufnahme der Konturen des Gebäudes durchaus sparen, nicht jedoch die detaillierte Ergänzung. Auf den überlieferten Plänen (meist beschichteten, daher je nach Verfahren vergilbten, verblauten oder braunen Pausen, versprödeten, eingerissenen Transparenten, verstaubten Karton-Auftragungen, die demgegenüber in der Regel sonst in gutem Zustand sind) darf nicht gearbeitet werden. Nach dem Einscannen werden die Pläne am Bildschirm als Arbeitsunterlage vorbereitet. Diese Umwandlung ist statthaft, da die Originalunterlagen unverändert erhalten bleiben. Eine Verdoppelung des Maßstabs auf 1:25 ist bei kleineren Bauten und vielen zu erwartenden Eintragungen zweckmäßig. Weitere Korrekturen sind das Stauchen oder Dehnen von verzogenen Plänen, das Löschen optisch störender Verschmutzungen, unwichtiger Beschriftungen usw. Mit dem neuen Ausdruck des Plans in Laserqualität kann eine ausreichend brauchbare Unterlage für Eintragungen aller wichtigen neuen Informationen, neueren Bauperioden usw. zeitsparend gewonnen worden sein. Die nun folgende Aktualisierung zum Bestandsplan sollte aber unbedingt in Direktauftragung im Bauwerk von Hand erfolgen. Die Überarbeitung vor Ort auf Notebook, die auch versucht wurde, kann nicht empfohlen werden, da sie zu schwerfällig, zu zeitaufwändig und unpräzise ausfällt; ein digitaler Arbeitsplatz im Bauwerk müsste anders aussehen. Bei der Aktualisierung werden kleinere Abweichungen der Mauern bei Öffnungen, Raumgrößen, usw. ignoriert; es kommt auf die Baukonstruktion und auf baugeschichtliche Fugen und Details an. Die ergänzten Pläne genügen dann als Basis für die thematischen Darstellungen: Befundpläne, Baualterspläne, usw., die vom Bauforscher oder Restaurator ausgearbeitet werden und für die Planung selbst. Eingabepläne (1:100 – Plansatz) sind nicht geeignet, in dieser Art verwendet und überarbeitet zu werden. Von ihrer Vergrößerung auf 1:50 wird abgeraten, weil die Plan-Inhalte im Eingabeplanmaßstab reduziert und daher unzureichend sind. Der Versuch, diese in ihrer Darstellung absichtlich pauschal gehaltenen Unterlagen zu überarbeiten würde erfahrungsgemäß den Aufwand einer Neuaufnahme deutlich übertreffen. Hier ist die Bauaufnahme von Grund auf neu zu erstellen. Sofern bei einem verwendbaren alten Plansatz wichtige Risse fehlen, können diese nachgeholt werden, ohne dass die gesamte Bauaufnahme neu angefertigt werden müsste. Ein solches Vorgehen wäre z.B. bei verzogenen spätmittelalterlichen Holzbauten nicht denkbar. Die Erleichterung hängt von der neuzeitlich realisierten Baupräzision ab.

Erstellen neuer Bestandspläne. Die wichtigste Frage, die sich stellt ist, ob eine einfache, additiv gemessene Bauaufnahme in Direktauftragung genügt oder ob lagerichtig, d.h. verformungsgetreu aufgenommen werden sollte (nicht referenziell oder referenziell nach Klein)3 . Die „einfache“ Bauaufnahme ist bei einem regelmäßigen, ebenflächigen Bauwerk ausreichend und natürlich – Direktauftragung vorausgesetzt – besonders preiswert. Bei einem aus gekrümmten Flächen bestehenden oder verzogenen Bauwerk wird sie unverhältnismäßig teuer und bleibt trotz aller Näherungsversuche schlecht. Daher ist das Bauwerk zu Beginn auf seine geometrischen Eigenschaften zu prüfen. Auch diese Prüfung geschieht in Stichproben und erfordert Erfahrung.

Vereinfachte Bauaufnahme möglich? Die Beurteilung beginnt außen mit einer optischen Prüfung auf Ebenflächigkeit; dabei wird mit einem Auge durchgefluchtet. Dieses einfache Vorgehen ist zugleich sehr zuverlässig. Außerdem werden die Fassaden auf größere durchgehende Risse abgesucht, die auf Veränderungen der Geometrie hindeuten. Diese Prüfung ist wenig zuverlässig, da Risse ausgebessert und überdeckt sein können. Im Streiflicht erkennbare typische Unebenheiten des Putzes können Hinweise auf solche Ausbesserungen geben. Prüfungen im Inneren sind oft nicht möglich, auch nicht so einfach durchzuführen.

Ohne systematische Untersuchung führen sie kaum zu verlässlichen Ergebnissen. Da bei Schnitten und Ansichten des Bauwerks (auch beim vereinfachten Bauaufmaß) immer nivelliert werden sollte, kann man den heute üblichen Rotationslaser für die Prüfung der Fluchtung von Mauern in Fluren und größeren Räumen nutzen, indem auf senkrechte Rotation gestellt wird und nach Parallelstellung der Rotations- zur Wandebene ein paar schnelle Stichmaße genommen werden. Neben der Fluchtung wird auf diesem Weg auch die eventuelle Neigung von Wänden geprüft. Die Prüfung auf Rechtwinkligkeit ist für die Wahl der Bauaufnahmemethode von Grundrissen nicht wichtig, da mit der additiven Aufnahme auch winklige Räume erfasst werden können. Ein wesentliches Kriterium ist die genaue Einhaltung von Wandstärken (Parallelität der Konturen), die aber bei allen neueren Bauten aus Backsteinmauerwerk ab dem frühen 19. Jahrhundert vorausgesetzt werden kann – sofern Putze nicht unregelmäßig aufgedoppelt wurden. Bruchsteinmauern kommen bei Bauten der Moderne im Hausbau kaum vor; Parallelität ist bei ihnen nicht gesichert. Stampfbeton ist dagegen häufig. Hier hängt die Parallelität von der Präzision der Schaltechnik ab, die meist gegeben ist.

Die beschriebenen Testmethoden sind überflüssig, wenn von vorneherein, wie z.B. von Bauämtern zunehmend praktiziert, eine tachymetrische Aufnahme in Konturenplänen angestrebt wird und Geld keine Rolle spielt. Dabei darf nämlich nicht übersehen werden, dass Konturenpläne nur etwa die Hälfte der Leistung abdecken (siehe unten), weil die konstruktiven und Detaileigenschaften in einem zweiten Arbeitsgang ergänzt werden müssen.

Bauaufnahme ohne Messnetz. Bei der einfachen, additiven Vorgehensweise wird mit einem größeren oder besser, geometriebeherrschenden Raum begonnen, der sich als Rückgrat des Grundrisses eignet. Die anschließenden Räume werden über Mauerstärken angeschlossen. Bei diesem Raum wird mit zwei Diagonalen oder einer anderen Figur die Winkligkeit ermittelt, so genau es diese Methode erlaubt. Es gilt die ebene Geometrie. Richtig angewandt, genügt das in der Regel. Direktauftragung während der Messung vor Ort im Gebäude, ist nicht nur äußerst zeitsparend, sondern wegen der Zuverlässigkeit und Logik der Aufnahme zwingend geboten. Während der Direktauftragung wird sofort deutlich, wenn sich Räume nicht mühelos zusammenfügen; ohne Verzögerung kann die Ursache ermittelt und die Berichtigung vorgenommen werden, Fehler schleppen sich nicht fort. Für die Überlagerung der Grundrisse und die Zuordnung der Schnitte gilt alles, was für eine verformungsgetreue Aufnahme auch gilt. Damit sich Grundrisse überlagern lassen, sucht man sich in der Praxis der additiven Methode eine Wand (z.B. Treppenhaus oder Außenwand) oder passende, nicht verzogene Kaminzüge, die vom Erd- ins Obergeschoss durchlaufen und sich als neuer geometrischer Ausgangsort für den Aufbau des nächsten Grundrisses eignen. Eine solche Wandflucht wird in gleicher Lage von Blatt zu Blatt übertragen, so, wie es auch bei Pass- oder Rasterpunkten üblich ist.

Als Maßstab wird bei Neuaufnahme 1:25 empfohlen, da der Zeichner viele Details wesentlich leichter und schneller einzeichnen kann. Auf den Werkplanmaßstab 1:50 kann später problemlos halbiert werden. Diese Erfahrung wurde generell bei Bauaufnahmen von Gebäuden aus vorindustrieller Zeit gemacht; insbesondere Holzfachwerk- und Blockbauten lassen sich sonst nur mühsam und kursorisch darstellen. Aber auch bei Bauten des 20. Jahrhunderts, sofern sie nicht große Dimensionen erreichen, ist der größere Maßstab bequemer, da in der Bauaufnahme – was bei der Planung nicht der Fall ist – neben allen Rohbauinformationen (einschließlich wichtigerer Schlitzungen und Aussparungen) auch noch der Ausbau dargestellt werden muss. Werden bei größeren Bauten die Blattgrößen nicht mehr beherrschbar, ist allerdings der Maßstab 1:50 vorzuziehen. Falls die Zeichnung über zwei Blätter reicht, soll für spätere Kopier- und scan-Tauglichkeit ohne Überlappung über den Stoß gezeichnet werden. Die Bauaufnahme ist – zusammen mit Fotos – Bestandsdokument!

Verformungsgetreue Bauaufnahme: Die Notwendigkeit formgetreuer Darstellung ist bei Bauten des 20. Jahrhunderts seltener gegeben; an sich nur dort, wo die Gebäudeflächen von der Waagrechten und Senkrechten eindeutig abweichen oder gekrümmt sind. Für diese Fälle sind dieselben Aufnahmeverfahren geeignet, wie für mittelalterliche bis neuzeitliche Architekturen. Für ihre Anwendung bzw. jeweilige Eignung gelten dieselben Gesichtspunkte. Im Wesentlichen kommen folgende Verfahren für die Aufnahme von Grundrissen, Schnitten und Ansichten in Frage:

  • Handaufnahme – nur in Direktauftragung – mit rechtwinkligen räumlichen Messnetzen, mit präzisen Rotationslasern; in größeren Arealen mit zusätzlicher Theodoliten- und Distanzmessung nur bei größeren Netzweiten. Anwendungsbereich: kleinere bis mittelgroße Bauten; vielgliedrige, differenzierte, „engmaschige“ Raumstrukturen. Professionelle Anwendung seit ca. 30 Jahren, ausgereift, sehr wirtschaftlich.
  • Tachymetrische Messung, Polygonnetze, Polarmessung, für größere Bauten mit „großmaschigen“ Raumstrukturen; große Räume und Hallen, größere Baukomplexe, Lagepläne. Als Ergebnis entstehen Konturenpläne (halbe Leistung) die anschließend von Hand weiter bearbeitet werden müssen (Konstruktion, Befund). Die professionelle Anwendung der Geräte begann zunächst in Flurbereinigung und Straßenbau, seit etwa 20 Jahren auch im Altbau mit wendigeren Geräten, die Methode ist auch hier inzwischen ausgereift. Die eigentlichen Probleme sind die CAD-Schematisierung, der häufige Einsatz fachfremder Operateure und die bisher in der breiten Praxis ungelöste Schnittstelle zur Detaillierung. Für die hier behandelte Bautengruppe ist die CAD-Schematisierung allerdings als Problem zu vernachlässigen.

Zusätzlich, aber eingeschränkt auf Teilleistungen wie Ansichten, Wandabwicklungen, Deckenspiegel, vor allem für weiter entfernte unzugängliche, aber von einem Standpunkt aus überschaubare Situationen sind vor allem die folgenden Verfahren geeignet:

  • Photogrammetrische Aufnahme mit Messkammern in Bildpaaren oder mit Reseau-Kameras mit maschineller Kartierung und anschließender Überarbeitung von Hand, sofern das realisierbar ist (Einrüstung). Alternativ: komplette maschinelle Auswertung mit allerdings unvermeidlichen Mängeln und Fehlstellen. Leistungsbereiche siehe weiter unten.
  • Digitale Bildentzerrung (auch herkömmliche optische Bildentzerrung), professionell mit digitaler Eliminierung der Objektiv-Verzerrungen, auf der Grundlage von Passpunkten, daher maßstäblich darstellbar – allerdings nur in einer ausgewählten Ebene. Die Ebene muss exakt eingehalten werden, sonst ergeben sich bei Abweichungen wegen der zentralperspektivischen Projektion erhebliche Fehler in den Randbereichen der Bilder. Die Methode hat Grenzen, innerhalb derer sie aber gut einsetzbar ist. Ein zunehmendes Problem sind Entzerrungen, die von Amateurphotographen mit Bildprogrammen durchgeführt werden.

Daneben gibt es diverse Methoden für spezielle Aufgaben, die meisten sind durch die neue Entwicklung im digitalen Bereich nicht mehr aktuell.

Auf Tuchfühlung mit dem Bauwerk bleiben! Bei der Bauaufnahme ist die direkte, unmittelbare Beziehung zum Objekt fast immer die notwendige Voraussetzung für gute Ergebnisse. Berührungslose Methoden haben im Normalfall bei Bauwerken typische Mängel, öfters bezüglich der Genauigkeit (angezielte, genauest gemessene Punkte sind oft nicht repräsentativ für Baukanten), häufig auch bezüglich falscher Interpretation. Gegenargumente: Auswertungen im Büro sind bequem, ohne Regen oder Kälte zu erledigen; die Kleidung bleibt sauber. Zwangsläufig und ohne Alternative ist die Anwendung berührungsloser photogrammetrischer Messung bei großräumigen Situationen, entfernten und nicht zugänglichen Objekten (siehe oben) welche auch zu komplex sind, um punktweise mit Einschneideverfahren abgearbeitet zu werden. Ernst zu nehmen: eine Bauaufnahme in gefährlichen Bereichen kann aus sicherer Entfernung erfolgreich gemeistert werden (vgl. das Initialerlebnis von Meydenbauer4). Wird eine „berührungslose“ Auswertung gewählt, muss die Tuchfühlung mit dem Bauwerk am Ende zur Kontrolle auch bei reinen Konturenplänen stattfinden.

Was ist „genau“? Die Kombination Auge/Kopfcomputer des professionellen Bauforschers ist bei der Direktauftragung unschlagbar. Das können Operateure, die zu Recht von der Präzision ihrer Fernrohre begeistert sind, nicht nachvollziehen, wenn sie die Anforderungen an die Bauwerksdarstellung nicht kennen. Bei der Bauaufnahme geht es zumeist gar nicht um Millimetergenauigkeit; der Genauigkeitsbegriff wird in der Dokumentationsliteratur (anders als in der Vermessungskunde) übrigens oft missverständlich oder falsch benutzt, zum Beispiel fälschlich für die Wahl des Maßstabs, den Detaillierungsgrad, die Planinhalte (vgl. die sog. „Genauigkeitsstufen“). Das alles hat mit Genauigkeit nichts zu tun. Daher hier ein paar Bemerkungen zum Thema:

Tachymetrisch genauestens eingemessene Punkte und anschließend ein ungenauer, ja irreführender, im Detail grob falscher Plan: das gibt es wirklich, und sogar sehr häufig. Bei der Bauaufnahme geht es seltener um Punkterfassung, sondern in der Regel um Kanten und Flächen. Bau-Eckpunkte sind meist nicht repräsentativ für die Verschneidung von kantenbildenden Flächen, weil es am gealterten Gebäude selten scharfe Kanten (meist nur bei Schreinerarbeiten), wohl aber gut definierte Flächen gibt. Neben abgebröckelten Kanten gibt es auch von vornherein fehlende Kantenbildungen, die mit der alten Herstellungstechnik zu tun, haben, z.B. die Waldkanten bei beschlagenen Balken. Letztere spielen aber bei unseren Bauwerken des 20. Jahrhunderts keine Rolle.5

Als Beispiel: Das Auge fluchtet (in Zusammenarbeit mit dem Gehirn) bei der Messung unscharfer Kanten automatisch auf das Maßband, misst also grundsätzlich keine Eckpunkte sondern verlängert routinemäßig und mit ausreichend hoher Genauigkeit (im mm-Bereich) die Ebenen der Baukonstruktion: die Verschneidung wird gemessen und zwar grundsätzlich nicht in einer, sondern ausnahmslos in zwei Fluchtungen. (Die dritte Dimension ist immer der Riss). Alle Geräte messen demgegenüber anders: alle Koordinaten gleichzeitig, was in der Objektrealität zu einem Fehler bei mindestens einem Koordinatenwert führt. Eine ausreichende Kantengenauigkeit wird hier ebenfalls mit Doppelmessung zu Beginn und Ende der Kanten“rundung“ erreicht; damit verdoppelt sich der Aufwand (vgl. auch die Einführung von Schrittmotoren und scanning in solchen Fällen, was einen sehr hohen Aufwand bedeutet – auch bei der Gerätefinanzierung).

Wann hohe Messgenauigkeit? Hohe Genauigkeitsanforderungen müssen in der Bauaufnahme neben speziellen Details eigentlich nur Messnetze erfüllen. Diese werden inzwischen durchwegs mit höherwertigen Messgeräten eingerichtet. Die schnelle Einrichtung einer Hilfsachse erfordert demgegenüber kein übermäßig präzises Vorgehen. Von den Messnetzen ausgehend werden die Bauwerkspunkte erreicht. Hier genügt die Genauigkeit großgliedriger Klappmaßstäbe; Ablesegenauigkeit halbe Zentimeter. Dieses Vorgehen führt grundsätzlich zu zuverlässiger räumlicher Erfassung, entspricht außerdem der Forderung nach Wiederholbarkeit von Messvorgängen, die bis in die 1970er Jahre in der Bauaufnahmepraxis noch als nicht erreichbar galt. Für die Genauigkeitsforderung ist der praktische Nutzeffekt ausschlaggebend: Wandstärken und Geschossdecken müssen in der richtigen Konstruktionsstärke ermittelt werden können, ohne dass bei jeder Messung Löcher gebohrt oder gebrochen werden. Bei Balkendecken ist die Ermittlung der geringsten Konstruktionsstärke von Interesse, da diese gern durchhängen und dann oberseitig aufgefüttert und begradigt sind. Auch bei Betondecken interessiert die Plattenhöhe, der Bodenaufbau wird nach Sondierungen subtrahiert.

Hohe Genauigkeit ist auch bei Elementen der Ausstattung gefragt, wenn es um die Messung von Profilen oder die Zusammensetzung von Schreinerkonstruktionen geht, die normalerweise den Brett- und Leistenstärken folgt. Bei diesen Objekten geht es nicht um die absolute Lagerichtigkeit, sondern immer um den relativen, direkten Anschluss zur Wand oder zu dem Bauteil, an dem das Detail befestigt ist und um die Stimmigkeit des Elements in seiner eigenen Form. Die Anmessung aller Punkte vom Netz aus ist hier völlig unsinnig; die Messung soll der Logik der Herstellung folgen. Insofern ist die Erfassung einfacher als bei alten, erheblich verformten Gebäuden. Solche Details, bei denen es oft um Leimfugen oder ähnliche unscheinbare, aber wesentliche Merkmale geht, werden mit Stahlfedermaßen (Halbmillimeter/Millimeterteilung), nicht mit Klappmaßstäben gemessen. Der Einsatz von optischen Geräten würde unangemessen langwierig sein und deutlich ungenauere Resultate ergeben. Photogrammetrisch und digital entzerrend kommt auch nichts heraus, da es ohne die wesentliche Qualität des beweglichen Auges nicht geht, welches immer aus verschiedenen Richtungen inspizieren muss, um hinter die konstruktiven Sachverhalte zu kommen. Mit Direktauftragung ist ein Detail schon fertig, während komplizierte Messapparate gerade erst in Position gebracht sind.

Planinhalte; Leistungstiefe. Wichtig ist die Klarstellung der erforderlichen Leistungstiefe, die den Inhalt der Pläne ausmacht. Qualitativ sind mehrere Stufen mit wesentlichen Unterschieden auseinander zu halten:

  1. Baukonturendarstellung. Alle sichtbaren Kanten werden kartiert. Dazu gehören auch, in Grundrissen eingestrichelt, die Baukanten der Decken und ihrer Unterzüge und in Fassaden die Ecken der dahinter liegenden Räume! Fenster und Türen werden in den Grundrissen symbolhaft, letztere mit Aufschlag gezeichnet. Balkendecken bleiben in Schnitten leer. Baukanten können von allen Messverfahren, auch vom Architektenaufmaß, dargestellt werden; es handelt sich bei diesen innen leer gelassenen Mauer- und Deckenkonturen um die einfachste, aber auch nichtssagendste Form der Baudarstellung.
  2. Baukonstruktionsdarstellung. Alle baukonstruktiven Eigenschaften werden einbezogen. Die leeren Mauer- und Deckenstreifen erhalten ihre konstruktiven Inhalte. Diese sind häufig erst in tieferen Schichten und anhand zusätzlicher Beobachtungen des Materials, der Rückseite der Baukonstruktion oder durch Einblicke in Schlitze, Risse, von oben, unten, seitlich, mit Taschenlampe usw. oder mittels kleiner Sondierungen feststellbar. Die Darstellung der Baukonstruktion ist auch ohne Messnetz, ausgehend von den gegebenen Baukanten in der nötigen inhaltlichen Qualität und Präzision möglich. Ungenau ist dann lediglich die Lage der in sich stimmig dargestellten Konstruktion.
  3. Porträtdarstellung. Alle Oberflächeneigenschaften wie Ornamente, Werkspuren, Mauertechnik, Ritzungen, Inschriften, Rückstände früherer Nutzungen, Rissbilder, sichtbare Schäden usw. werden soweit möglich, naturalistisch, in Ausnahmefällen auch flächenbezogen schraffiert oder farbig dargestellt. Darüber hinaus können auch unsichtbare Hohlstellen unter Putzen, die akustisch ermittelt werden, oder Fachwerke unter Putz (vgl. auch d.) Teil der Darstellung sein. Oft genügt es, mit einfachen Hilfsmaßen die graphische Beziehung zu den Baukanten herzustellen; manchmal ist Lagerichtigkeit nötig, also Bezug zum Netz.
  4. Gläserne Darstellung oder räumliche Zuordnung hintereinanderliegender Systeme. Beispiele: Kaminzüge hinter der Wand, verdeckte, von hinten zugängliche Fachwerkkonstruktionen, von rückwärts wirksame Pfeiler usw. Solche Darstellungen sind ohne Messnetz selten ausreichend zuverlässig realisierbar.
  5. 3D-Modelle werden zunehmend beliebt, sind aber, wie sie zur Zeit in weitgehender Abstrahierung präsentiert werden, in der Praxis der Instandsetzung nutzlos und als Liebhaberei zu werten. Sie werden aus 3D-Punktaufnahmen entwickelt, dann aber unabhängig vom Bestand modelliert, stellen den Bestand also nicht wirklich dar, sondern dienen der Präsentation. In einigen Fällen werden photographische Flächen eingehängt. Beim Sonderfall des Laserscanning sind für Baudarstellungen bisher nur bildgebende Verfahren und keine verwertbaren Messungen bekannt, die zwar möglich, aber für Bauten nicht praxistauglich realisiert sind. 3D-Modelle als wirkliche Bestandsdarstellung wären in Sonderfällen für die Prognostik von komplexen Schadensprozessen durchaus interessant, würden dann aber eine präzise Aufnahme und Einbindung der gesamten (!) Baukonstruktion voraussetzen, also aller Wände und Decken des gesamten Bauwerks, auf gutem Niveau. In der Regel fehlt all dieses bei den vorliegenden Modellen. Ob der Aufwand einer solchen vollständigen Dokumentation in angemessenem Verhältnis zu einem greifbaren Ergebnis stehen würde, wäre sorgfältig zu prüfen.

Bemerkungen zur Anwendung (nicht erschöpfend, nur einige wichtigere Aspekte):

Zu a: Baukonturenpläne (Mauerumrisse, innen leer) genügen bei allen Flächen- oder Kubatur-Ermittlungen. Sie genügen bei Nutzungskonzepten oder Planungen, bei denen sichergestellt ist, dass nicht in die Konstruktion eingegriffen wird. Hier ist überall auch ein Architektenaufmaß erfolgreich.6 Das Baukonturenaufmaß kann zur Nachtragung einfacherer Installationen und Bauausstattungen ausreichen, bei Flächenabwicklungen für restauratorische Dokumentationen als Grundlage genommen werden und in diesem Sinn auch Raumbuchblätter illustrieren.

Zu b: Baukonstruktionen müssen bei allen Sanierungsmaßnahmen der Konstruktion dargestellt sein.7 Das gilt auch für punktuelle, lokale Maßnahmen, da die Rückverlagerung von Kräften, die auf die Instandsetzung beispielsweise eines Knotens folgt, auch Rückwirkungen auf die Umgebung haben kann. Das gilt auch bei allen Maßnahmen, bei denen Türdurchbrüche, Wandverlegungen, Veränderungen in Geschossdecken, Erhöhungen der Nutzlasten usw. beabsichtigt werden. Die Baukonstruktion muss auch in allen Fällen dargestellt werden, in denen der Eindruck entsteht, dass irgendwelche Bauteile oder Baubereiche den Anforderungen nicht mehr gewachsen sein könnten. Liegt eine solche Bauaufnahme vor, soll sie beim Raumbuch einer Baukonturendarstellung vorgezogen werden.

Zu c: Porträtdarstellungen sind für die Untersuchung komplexerer Schadenssituationen, für konservatorische bzw. restauratorische Arbeitsfelder und nicht zuletzt für die baugeschichtliche Beurteilung unverzichtbar. Sie sind durch Photos nicht ersetzbar (vgl. den Absatz „Digitale Bildentzerrung“, in dem einige der Anforderungen an photographische Abbildungen beschrieben sind).

Zu d: Gläserne Darstellungen können der baustatischen, bauphysikalischen oder baugeschichtlichen Diagnostik dienen.

Leistungsgrenzen der Bauaufnahmeverfahren. Wesentlich ist es, die Leistungsgrenzen und -möglichkeiten der einzelnen Verfahren zu kennen, um sie realistisch und optimal einsetzen zu können.8 Aber Vorsicht! Viele Anbieter versprechen wesentlich mehr, als sie objektiv gesehen leisten können. Einige der Anbieter sind nicht vom Baufach, kennen daher die bautechnischen Anforderungen nicht und glauben tatsächlich, mit einer Kontureneinmessung, also einer Grafik, sei die Bauaufnahme komplett. Die folgende einfache Tabelle gibt Auskunft über die jeweils erreichbare Leistung. Die Rubrik Nacharbeit ist zugleich ein Hinweis, dass von Anfang an eine Schnittstelle zu einer anderen Methode zu beachten ist (siehe weiter unten im Abschnitt Vergabe). Nacharbeiten sind, wenn sie zuverlässig sein sollen, nur von Hand und vor Ort möglich.

Bauaufnahme- methode Ia. Konturen Ib. Konstruktion Ic. Porträt Id. gläserne Ansicht Nacharbeit integriert? II bau­begleitend
1 Handaufnahme ohne Netz, nur mit Direktauftragung! ja ja ja bedingt; nur einfache Aufgaben integriert ja
2 Handaufnahme mit Netz, nur mit Direktauftragung, fertiggestellt vor Ort ja ja ja ja integriert ja
3 Tachymetrie/
Distanzmessung, ausgearbeitet mit CAD
ja bedingt (nur Konturen) Nein. Nacharbeit von Hand
4 Digitalbild-Entzerrung, überarbeitet als Bild ja teilweise, als Bild Nacharbeit: Deckfolien von Hand
5 Stereo-Photogrammetrie, ausgearbeitet mit CAD ja teilweise, als Bild Nacharbeit von Hand
6 Laserscanning, kartiert nur einfachste Konturen Nein, Nacharbeit kaum möglich

Handaufnahme ist von der Zeichenqualität abhängig; diese erreicht bei überraschend vielen Mitarbeitern wieder ein hohes Niveau, allerdings manchmal erst nach intensiver Schulung. Die direkte Handaufnahme ist bei Anwendung guter Rotationslaser die schnellste, wirtschaftlichste Methode und im Rahmen der Gerätemöglichkeiten bis zu mittleren Baugrößen die erste Wahl. Für die Aufnahme der Baukonstruktion und baugeschichtlicher Befunde ist sie die einzige zuverlässige Methode, bei Oberflächenporträts ist allerdings vorauszusetzen, dass der Zeichner Begabung hat. Direktauftragung und richtiger Einsatz der Laser und sonst nötiger Geräte wird in der Architekten-Ausbildung kaum oder nur in Ausnahmefällen gelehrt.

Tachymetrie erreicht die höchste Punktgenauigkeit (sofern die Punkte am Bau definiert sind). Diese Genauigkeit wird bei den meisten historischen Gebäuden durch die Schematisierung der CAD-Ausarbeitung wieder aufgehoben, eventuell sogar in Frage gestellt. Bei den Bauten des 20. Jahrhunderts, um die es hier geht, kann diese negative Auswirkung der CAD-Verarbeitung meist toleriert werden, da die Bauten relativ streng der Geometrie folgen, die auch Grundlage des CAD ist. Das Ergebnis ist ein Konturenplan. Normalerweise wird bei neueren Bauten die notwendige Nachbearbeitung den fehlenden Inhalten des Konturenplanes gelten, nicht der Korrektur der Konturen selbst. Bei der Nacharbeit ergibt sich automatisch die Gelegenheit, deutlich unstimmige, zu schematisierte Konturen (also die Linienverbindungen von gemessenem Punkt zu Punkt bzw. die aus Punkten errechneten Kurven) zu verbessern. Für die großräumige Bauaufnahme ist das Verfahren für den ersten Arbeitsabschnitt der Punkteeinmessung unbestritten die präziseste und wirtschaftlichste Methode.

Digitale Bildentzerrung erlaubt anhand eingemessener Passpunkte in deren Ebene maßstäbliche Auswertung, liefert in davor- und dahinter liegenden Bereichen verzerrte Abbildung, eignet sich wie alle fotografischen Abbildungen für optisch definierte Kanten gut, für Porträts von Oberflächen aber nur eingeschränkt. Plastische Werkspuren werden meist erst bei Streiflicht sichtbar, jedoch nur dann, wenn sie quer zum Lichteinfall stehen. Treten Werkspuren in verschiedenen Richtungen auf, wird ein Teil von ihnen verschluckt. Die Abbildung von Werkspuren und anderen Oberflächenbefunden ist also häufig absolut trügerisch. Unter Beachtung dieser Einschränkungen ist die Entzerrung gut verwendbar für die schnelle und preiswerte Abbildung von ebenen Flächen, beispielsweise Böden, Wänden, für Steinschnitt-Abbildungen von Quadermauerwerk (nur mit gut definierten Fugen), für ebene Einzelobjekte, vor allem als Eintragungsunterlage (nicht Endprodukt) für Dokumentationen im Wandrestaurierungsbereich, auch in der Bauforschung. Ungeeignet für Gewölbekappen und räumliche Gebilde. Bevorzugtes Anwendungsgebiet für thematische Karten bei Schadensplänen und restauratorischen Arbeitsdokumentationen mit Nachkartierung von Hand auf überlagerten Folien. Sehr effektiv einsetzbar. Da es sich um Bilder handelt, ist eine Nachbearbeitung möglich, sollte sich aber allenfalls auf Aufhellungen und maßvolle Verstärkung von Kontrasten beschränken, um z.B. Steinfugen zu schärfen. Die problemlos mögliche Bildbearbeitung kann eine erhebliche Gefahr für den Dokumentengehalt werden. Das Problem langfristiger Haltbarkeit der Drucke ist vorerst nicht gelöst.

Stereo-Photogrammetrie, Anwendung: Für Messungen entfernterer räumlicher Situationen, auch komplexer Art, wie Kirchendecken, hochliegende Gewölbe, Ansichten von Türmen, Stadt- und Burgmauern, insbesondere gekrümmte oder gestufte Fassaden (ohne oder vor Einrüstung) ist stereometrische Photogrammetrie mit klarem Vorsprung die Methode erster Wahl zur Einmessung von Baupunkten und zur Linienkartierung (vgl. S.DDD Einsteinturm). Die Kartierungsqualität hängt entscheidend vom Auswerter ab und kann daher auch sehr ungenau sein. Da nur kartiert werden kann, was im Bildpaar sichtbar ist, gibt es Grenzen der Darstellung; in der Regel sind nur Konturen darstellbar, verdeckte Bereiche müssen von Hand ergänzt werden. In allen Fällen, in denen es möglich ist (Einrüstung), ist daher eine Nacharbeit von Hand unumgänglich, was jedoch nicht als Einwand gegen die Bedeutung und Qualität der photogrammetrischen Methode verstanden werden darf. Das zentralperspektivische Messverfahren funktioniert schlecht bei Rotationskörpern (Kugel- und Zylinderformen). Porträt-Information ist über die Betrachtung des Bildpaares selbst lohnend. Wegen der räumlichen Qualität sind Werkspuren besser zu erkennen als bei Einbild-Entzerrung. Die Porträt-Informationen sind dennoch nicht genügend zuverlässig und ersetzen nicht die direkte Inspektion. Geübte Bildbetrachter benötigen bei Kontaktabzügen der Bildpaare kein Betrachtungsgerät: nur der Abstand entsprechend dem der Augen muss stimmen.

Laserscanning ist für preiswerte Geländeaufnahmen, Höhenschichtmodelle usw. eine gute Wahl. Bauwerksdokumentationen sind jedoch noch völlig unakzeptabel und eventuell ein Weg in die falsche Richtung, da die Entwickler bisher Bauaufnahme-Anforderungen überhaupt nicht beachtet haben, die sich bei baulichen Anlagen stellen.9 Vorsicht vor unlauteren Leistungsversprechungen. Das Entwicklungsprojekt Regensburger Dom ist ein interessantes Sonderprojekt, bei dem das Verfahren teilweise nicht als Bauaufnahme, sondern als 3D-Informationsverwaltung mit einer Datenbank verknüpft fungiert.

Vergabe von Bauaufnahmeleistungen. Nachdem die Arbeitsmethoden der Bauaufnahme und Baudokumentation seit etwa 30 Jahren im Umbruch sind, herrscht auf diesem Sektor Unsicherheit. Endgültige, für den Auftraggeber sichere Qualitätsgarantien für das Arbeitsergebnis zeichnen sich noch nicht ab. Die oben genannten Aufnahmeverfahren sind gerätetechnisch zum Teil schon lange durchentwickelt und sollten fachlich konsolidiert sein. Mit der Einführung der CAD-Systeme wurde die Bauaufnahme der neuen Zeichentechnik am Bildschirm angepasst und mechanisiert, verlor damit jedoch bei alten Gebäuden deutlich an Informationsqualität und ist nicht ausgereift (vgl. unten). Seit einigen Jahren versuchen Laserscanning-Firmen die anderen Methoden zu verdrängen. Daneben gibt es Verfahren, zum Teil noch vereinzelt in Anwendung, aber doch zum Aussterben verurteilt, die hier nicht mehr genannt werden. Das sind z.B. diverse analoge Methoden des mechanischen oder optischen Abgreifens, welche Objektkonturen auf eine Zeichenfläche zu übertragen versuchen. Ein erhebliches Problem ist das Fehlen unabhängiger beratender Fachleute, die alle Verfahren beherrschen oder wenigstens überblicken. Die Architekten, die dafür zuständig wären, haben die Verfahren nicht erlernen können, da diese meist erst nach ihrer Studienzeit zum Durchbruch kamen. Außerdem ist das Lehrangebot auf diesem Gebiet erheblich reduziert. So entwickelten sich auf dem umkämpften, aber unkontrollierten Markt vielfach unlautere und irreführende Angebote. Eine präzise Vergabe ist wichtig, um unzureichende Leistungen und finanzielle Verluste auszuschließen.

Das Ergebnis zählt. Als Faustregel kann gelten: Bei der Vergabe sollte das Ergebnis, welches benötigt wird und erreicht werden muss, so exakt wie möglich beschrieben werden, nicht die Methode, die vom Anbieter allerdings benannt werden muss. Angebote müssen im Ergebnis vergleichbar sein. Die Preise müssen sich auf die geforderten Ergebnisse beziehen. Oftmals kommt im Verlauf eines Auftrags heraus, dass ein Ergebnis nicht erreicht werden kann, weil der Auftragnehmer die Anforderungen unterschätzt hatte (zum Beispiel, wenn ein qualifizierter Geodät die Aufnahme einer Fachwerkkonstruktion übernommen hat, aber die für die bautechnischen Entscheidungen wichtigen konstruktiven Verbindungen nicht kennt und daher auch nicht erkennt). Daher ist es wichtig, die Leistungen in nachvollziehbare Schritte und Positionen so zu unterteilen, dass auch eine unvollständige Leistung ohne Verlust für die Vertragspartner abgerechnet und das Teilergebnis ohne Verlust für den Bauherrn von einem anderen Vertragspartner weiter bearbeitet werden kann. Besonders teuer weil unbrauchbar im Ergebnis kann eine pauschale Beauftragung zu einem Pauschalpreis werden, auch wenn dieser zunächst niedrig erscheint. Ähnlich teuer können auch Studenten-Bauaufnahmen kommen.10

Vorbemerkungen eines Leistungsverzeichnisses bzw. eines Vertrags (gilt auch für Raumbücher) sind notwendig. Sie sollten ansprechen, dass es sich um ein (gesetzlich geschütztes) Baudenkmal handelt (Charakterisierung des Objekts nach bisherigem Kenntnisstand) und den Zweck der Bestandsaufnahme benennen. Außerdem sind Festlegungen zu empfehlen über Themen wie: Welche Eingriffe sind während der Bestandsaufnahme nicht gestattet; welche Vorsichtsmaßnahmen sind zu beachten (vorgekommene unerwünschte Vorfälle: Löcher im Fußboden durch Gerätestativ; Abreißen von Tapeten, um Markierungen anzubringen; Irreversible Filzstiftmarken auf Wandmalerei; Verletzungen historischer Bauteile bei Schadenskartierung, Aufreißen von Bauteilen, um Durchblicke zu gewinnen usw.). Regelung der Haftpflicht, Regelung der Sicherheit:

Vorkehrungen durch den Bauherrn oder Auftragnehmer? Häufige Probleme sind: gesundheitliche Belastung (Taubenmilben usw.), Absturzgefahr (Schaltafeln auf morschen Böden, Absperrungen ungesicherter Abgründe, usw.), Stellung eines Gerüsts? Abstimmungspflicht mit Restauratoren oder anderen beauftragten Fachleuten. Zuschläge bei schlechten Witterungsverhältnissen, bei hohen Kältegraden, bei bewohnten Räumen, verstellten Situationen? Abschläge bei Unzugänglichkeit. Eigene Leistungsposition der Entrümpelung bzw. qualifizierten Beräumung? Vorhandene Stromanschlüsse; Verrechnung?

Untergliederung des Leistungsbildes: Empfehlenswert ist die Gliederung in eine allgemeine Position 1.) „Netz“ und in 2.) Grundrisse, 3.) Schnitte, 4.) Ansichten oder Abwicklungen, 5.) Details, wobei die Kosten für jeden einzelnen Plan angegeben werden sollten. Lage und Richtung der Risse muss angegeben sein. Die Vorgabe des Maßstabs und der Detaildichte ist notwendig. Ausarbeitungen, z.B. Baualterspläne, werden in einem zweiten Abschnitt aufgezählt und ebenso gegliedert, eine Fotodokumentation in einem dritten Abschnitt usw.

Die Position „Netz“ entfällt beim Architekten-Aufmaß bzw. einem additiv aufgebauten Handaufmaß (Raum für Raum mit Diagonalen; Mauerstärken). Sie ist notwendig bei Bauaufnahmen, in denen die Baukanten lagerichtig dargestellt sein sollen. In dieser Position werden die Meterrisse und senkrechten Messebenen kalkuliert, wenn sie zu Beginn der Bauaufnahme angelegt werden. Die Position bleibt unausgefüllt, wenn über Polygone gemessen wird, die während der Baukanteneinmessung entstehen und währenddessen geschlossen werden. Der Aufwand wird hier auf die Grundrisse umgelegt. Bei Passpunktbestimmung ist von einer eigenen Position auszugehen.

Gestuftes Leistungsbild: Schnittstellen bezüglich der jeweils erreichten Leistungstiefe. Die Handaufnahme kann in einem Zuge bis zum geforderten Endergebnis ohne Schnittstelle verfeinert werden, die Leistung ist daher klar kalkulierbar und im Regressfall eindeutig zu verantworten; alle anderen Methoden erreichen eine Leistungsstufe (meist die der Kontur), ab der eine Verfeinerung (Detaillierung) nicht mehr möglich ist. Ist die Verfeinerung zur Konstruktions- bzw. Befunddarstellung notwendig, muss dann mit einer anderen Methode weitergearbeitet werden. Die Schnittstelle ist vergabetechnisch problematisch und ist daher genau zu formulieren, insbesondere, wenn verschiedene Bearbeiter mit unterschiedlichen Stundenlöhnen zum Einsatz kommen oder wenn gar ein zweiter Auftragnehmer auftritt.

Ablaufbedingte Phasen der Leistung: Im bewohnten oder genutzten Gebäude kann, meist unter erheblichen Hindernissen, nur eine Baukonturendarstellung geleistet werden. Erst im unbewohnten, nicht mehr genutzten Gebäude kann auch die zweite Phase der Bauaufnahme, als Nachtrag der Baukonstruktionen nach einer Voruntersuchung anschließen, bei der die nötigen Einblicke in verdeckte Konstruktionen (Bemessung, Zustand, Leistungsfähigkeit der tragenden und aussteifenden Konstruktion, insbesondere der Balkenauflager) durch Untersuchungsfenster gewonnen werden, die mit restauratorischer Kompetenz und Vorsicht ausgeführt werden sollen. Ohne den Nachtrag der Baukonstruktion ist die Bauaufnahme – wie bereits gesagt – für Instandsetzungsarbeiten im konstruktiven Bereich unbrauchbar. Man vermeidet gerne diese Schnittstelle und strebt aus Gründen der Effektivität eine durchgängige Bauaufnahme an. Das bedeutet, dass die Untersuchung des Bauwerks mit den genannten Öffnungen einschließlich eventueller Tests auf Wandmalerei, Fußbodenmalerei, Fundgut usw. beginnt und die Bauaufnahme parallel läuft oder in einem Zug anschließt. Denkmalfachlich ist die Vorwegnahme der Untersuchung vor der Bauaufnahme korrekt.

Baubegleitende Dokumentationsarbeiten sollten bei der Finanzierung von Anfang an berücksichtigt werden. Sie sind für technische Entscheidungen wichtig, da bei der Voruntersuchung nicht alle heiklen Punkte vorausgesehen werden können. Sie sind bei Baudenkmalen auch immer aus baugeschichtlichen Gründen (also im Dienst der Inventarisation) notwendig, weswegen bei diesen Nacharbeiten eine Bezuschussung aus Mitteln der Denkmalpflege anzustreben ist. Hier muss ein erfahrenen Bauforscher beauftragt werden, der „unscheinbare“ Befunde aufgrund langjähriger Erfahrung auch erkennt; ein reiner Bauvermesser wäre hier fehl am Platz. Empfehlungen des Bauforschungsreferats der jeweiligen Landesdenkmalbehörde könnten hier weiter helfen.

Photographische Dokumentation, Raumbuch. Photographien sind wichtige, ergänzende Dokumente mit eigener Dokumentencharakteristik. Sie sind kein Ersatz für Pläne. Mit der Photodokumentation von Bauwerken ist keine künstlerische Photographie gemeint, sondern eine sachliche Abbildung des Vorzustands und der Baumaßnahme in Zwischenzuständen, die der Restaurator als Arbeitsdokumentation bezeichnen würde. Ein großer Teil des Aufwandes widmet sich den Baubefunden. Die Abbildungen sollen möglichst professionelle Qualität haben, die Lichtführung ist bei Gesamtaußenaufnahmen (natürliches Licht) und bei Oberflächenaufnahmen (künstliches Streiflicht, frontales Licht, Mischlicht usw. bewusst eingesetzt) besonders wichtig. Die Identifizierung der Motive wurde früher über Grundrisse mit Photo-Standpunkten erleichtert. Dieses System ist für Raumabbildungen ausreichend, versagt aber bei der Lokalisierung von Details. Eine gute Identifizierbarkeit wird durch mitphotographierte Daten erreicht: Das Negativ (oder die Datei) ist im Bild selbst beschriftet. Leider reichen die Datenrückwände dafür nie aus. Am besten hat sich die Verwendung eines selbst erstellten Datenblocks mit Klappfeldern bewährt.11 Die Kennungen: Räume im Uhrzeigersinn oder nach Entwurfslogik ab Eingang usw. (Keller: K01, K02 …, EG: 001, 002…, 1.OG: 101, 102…, DG: D01, D02), Wände im Uhrzeigersinn, beginnend als (ungefähre) Richtungsbezeichnung nach Norden mit a, Osten mit b, Süden mit c, Westen mit d; Befundsteile oder Detail mit .01, .02, .03… auf jeder Wandfläche neu beginnend. Beispiel für die Abbildung einer Wand: 103d, Beispiel einer Befundstelle: 103d.09 oder D02c.13. Natürlich lassen sich Wände auch mit n, o, s, w bezeichnen; das kann bei etwas gedrehten Grundrissen missverständlich sein; außerdem erschwert das die internationale Verständigung. Auf dem Block werden außerdem Ort, Bauwerk, Datum und Photograph in nicht spiegelnder, mattschwarzer Schrift genannt. Die Anordnung der Abbildungen kann als Raumbuch erfolgen. Aus der Sicht der Bauforschung ist das Raumbuch ein Ordnungs- und Orientierungssystem im Bauwerk. Geordnet werden Photoblätter, Zeichnungen von Wänden, Befundblätter und Beschreibungen, auch Rekonstruktionen von Raumausstattungen. Da Abbildungen auch anders geordnet oder als Einzelstücke verwendet werden, empfiehlt sich die Kombination mit Lage-Vignetten, bei Photos auf säurefreiem Karton, alternativ als Ausdruck auf Papier mit denselben Informationen im Laserdruckverfahren.

Bei Negativmaterial stellt sich die Frage nach Schwarzweiß oder Farbe. Hier gelten die Grundsätze der Restauratoren. Bauten und Baubefunde sind mit s/w Mittel- oder Großformat dauerhaft abgebildet (100 Jahre und länger, je nach Lagerung), Ausstattungen, Farbbefunde mit entsprechenden Farbnegativen oder -positiven einigermaßen farbecht etwa 30 Jahre; eine Farbkarte muss mitphotographiert werden. Digitale Abbildungen können ab 8MP konkurrieren. Vorsicht vor Softwarefiltern wie Rauschunterdrückern zur automatischen Bildverbesserung! Farben bleiben mathematisch unverändert, daher ist sw keine Haltbarkeits-Alternative mehr. Auch Bildschärfe und Auflösung sprechen nicht mehr für Graustufen statt Farbkanälen. Das Problem der Haltbarkeit der Archivträger ist jedoch überhaupt nicht gelöst, aber für die Hersteller von Datenträgern leider kein Thema. Bei CD ROM kann von 10 bis vielleicht 20 Jahren ohne Garantie ausgegangen werden. Die Fachzeitschriften sind hier unterschiedlicher Meinung. Die Finanzierung des Umkopierens in regelmäßigen Intervallen auf jeweils neue Datenträger ist kaum abzusichern. Abbildungen auf Datenbasis können nicht mehr als echte Dokumente gelten. Geschickte Manipulationen sind nicht nachweisbar.

ComputerAidedDesign und Bestandsdarstellung: Die „maschinellen“, besser: mathematisch exakten Darstellungsmethoden des CAD haben sich bei der technischen Planung generell durchgesetzt, zu Recht; sie sind sauber, ungeahnt präzise, flexibel, Platz sparend. Es gibt wohl keinen Bereich der graphischen Planung, bei dem eine Handzeichnung noch überlegen sein könnte (allenfalls bezüglich der Geschwindigkeit bei gering komplexen Objekten). Prinzip der CAD – Darstellung sind einerseits mathematische Funktionen, andererseits Fanghilfen, die diese Präzision selbst bei flüchtigerer Arbeitsweise garantieren. Bei der Bauaufnahme, der Darstellung des Bestands, gibt es allerdings zwei konträre Positionen.

Schematisierter Bestand. Die planungsorientierte Fraktion (Fundis) will die Bauaufnahme der Planungsgewohnheit anpassen und zu mathematisch-geometrischer Ordentlichkeit erziehen. Der Bestand wird geometrisch dargestellt, auch wenn das dargestellte Objekt dann kaum mehr erkennbar ist. Auf diesem Weg wird der Bestand in die Planung eingeschleust. Im Planungsprozess wird die Bestandszeichnung den Wünschen folgend graphisch verändert. Das geschieht meistens im Zuge eines Baugenehmigungsverfahrens. Die graphische Regulierung der Bestandszeichnung kommt dem Maßstab 1:100 des Eingabeplans und den Umbauvorstellungen entgegen. Konflikte sind schwerer erkennbar. Die neue, genehmigte Entwurfszeichnung wird in den Maßstab 1:50 zurückversetzt, wird zum Werkplan erweitert und ist Grundlage der technischen Entscheidungen. Das alte Bauwerk entspricht inzwischen selten den Anforderungen dieser Zeichnungen. Es wird ihnen angepasst. Dieses Vorgehen kann als Anachronismus charakterisiert werden, denn es wiederholt Planungsgewohnheiten aus der Neubau-Ära.

Realer Bestand. Die andere Fraktion (Realos) will dem Objekt gerecht werden. Bei der Bauaufnahme wird eine Darstellungsmethode gewählt, die die Eigenschaften des Objekts berücksichtigen soll. Daher kommt auch der Begriff des Porträts. Die Vektorgraphik des CAD eignet sich grundsätzlich nicht zur Wiedergabe der Natur alter Bauten, die in handwerklichen Methoden, d.h. einem der Natur folgenden technischen Vorgehen gebaut wurden und sich im Laufe der Alterung noch weiter von abstrakten Geometrien entfernt haben. Diese Ablehnung der Vereinfachung gilt ohne jede Einschränkung bei den Bauleistungen der vorindustriellen Zeit. Die am Original orientierte Darstellung wird am besten mit der technischen Handzeichnung erreicht. Es geht nicht um malerische oder künstlerische Qualitäten der Zeichnung, sondern um eine realitätsnahe Wiedergabe. Künstlerische Qualität der Darstellung im traditionellen Sinn ist nicht verboten, soll jedoch nicht zur Verfälschung aus der Eitelkeit der Begabung führen.

Planung und Bestand. Die Verwertbarkeit der Bestandsaufnahme passe jedoch nicht in unsere moderne CAD – Planungspraxis, wird argumentiert. Das trifft nicht zu. Die Bestandspläne lassen sich mit speziellen Scannern gut einlesen und mit eigens dafür entwickelten Programm-Modulen als bitmap in die modernen CAD-Systeme einbauen. Die Bearbeitung erfolgt hybrid. Der Bestandsplan darf nicht umgeplant, also nach Belieben gelöscht oder umgezeichnet werden. Damit würde man jede Kontrolle verlieren. Also muss er gegen Veränderungen gesperrt werden. Die Planung erfolgt in einer zweiten Ebene in gewohnter Vektorgraphik, weil neu erforderliche Mauern, Stützen, Unterzüge, Kamine usw. den geometrischen Eigenschaften des CAD durchaus entsprechen. Bei der Mischung – und nur mit der Mischung – wird sofort erkannt, ob Anschlüsse zwischen neu und alt stimmen oder ob konstruktive Konflikte entstehen. Erst nach Lösung dieser Konflikte wird die Eingabeplanung gezeichnet. Der Weg ist genau umgekehrt wie beim Neubau-Entwurf.

Die Industrialisierung des Bauens ist kein exakter Zeitschnitt und lässt sich in Deutschland ab etwa 1850 mehr als ein Jahrhundert hinweg Zeit. Das Neue Museum von Stüler in Berlin enthält eines der ersten industrialisiert gefertigten Tragwerkssysteme in Deutschland. Die Serienfertigung erfasst in einer langen Entwicklung immer mehr Sparten der Baustoffproduktion, des Bauens, der Bauelemente und bestimmt damit zunehmend das Entwerfen. Mit der Plattenbauweise wird ein Durchbruch industrieller Baufertigung im Wohnungsbau erst in den 1960er Jahren erreicht und auch in Westdeutschland propagiert. Das Neue Bauen ist davon noch entfernt, strebt zum Teil aber Angleichungen an die industrielle Fertigung an. Was überwiegend gelingt, ist eine Geometrisierung der Form, die die Algorithmen der CAD-Graphik vorwegnimmt. Man wird sich bei dieser Voraussetzung daher auch mit CAD-Bestandszeichnungen anfreunden können. Die Planungsmethode sollte dennoch beibehalten werden: der Bestandsplan bleibt als Grundlage der Beurteilung der baulichen Modifikationen vor Veränderungen gesperrt. Im Vergleich von Bestandsplan und baulicher Ergänzung können alle Differenzflächen = Eingriffe gelb angelegt werden wodurch die Verluste visualisiert und gut zu überblicken sind (vgl. auch unten: „Verlustbilanz-Kartierungen).

Bauaufnahme und Bauschäden: In der Bauaufnahme sollen alle sichtbaren Schäden graphisch dargestellt werden. Das geht nur vor Ort im Porträtier-Modus von Hand. Zu diesen sichtbaren Schäden gehören Risse bzw. Rissbilder, Oberflächenverletzungen, wie sie sich optisch darstellen, zerfressene und abgefaulte Bereiche bei Holzkonstruktionen, sichtbare Feuchtehorizonte in den Ansichten von Gebäuden usw. Verdeckte, nicht sichtbare Schäden werden normalerweise nicht eingezeichnet. Hohlstellen und andere, systematisch nachweisbare Phänomene können vom Fachmann nachgetragen werden. Die Bauaufnahme ist auch bezüglich der Schäden als Abbild des Bauwerks zu verstehen. Die Darstellung dient der Orientierung und kann für die baugeschichtliche Analyse wichtig sein, weil sich Bauschäden oft bei baugeschichtlichen Nähten einstellen oder auf frühere Funktionen hinweisen. Auch wenn die Bauaufnahme Schäden darstellen soll, kann sie noch keine Schadensanalyse sein.

Verantwortlichkeit für die Schadensbeurteilung: Die Beurteilung von Baumängeln und Bauschäden obliegt dem jeweiligen Fachmann, der auch die Vorschläge zur Beseitigung oder Instandsetzung macht und für Interpretation und Behebung der Schäden verantwortlich ist. Dieser Fachmann muss, um seine Ergebnisse zu verantworten, für den jeweils spezifischen Aufgabenbereich beauftragt sein, damit er bei Fehlern haftbar gemacht werden kann. Die Schadenskategorien sollen zunächst stichprobenhaft abgefragt werden und selbstverständlich mit so viel Erfahrung, dass die Existenz verdeckter Schäden erkannt wird. Die Checkliste des Architekten umfasst Kategorien wie Holzschäden, Schäden mineralischer Baustoffe baustatische Probleme, bauphysikalische und bauchemische Mängel. Beim Holz darf die Belastung mit Pilzen nicht ignoriert werden. Einen Schematismus der Schadensuntersuchung gibt es nicht; eine regelrechte Schadensaufnahme wird dann durchgeführt, wenn es nennenswerte Schäden gibt, deren schonungslose Beseitigung für das Denkmal zerstörerisch wäre. Eine notwendige Abstimmung der Vorschläge mit dem historischen Bauforscher, dem Restaurator und dem Denkmalpfleger setzt voraus, dass diese Teilnehmer im Team fachkundig sind, um differenzierte Anregungen geben zu können. Sie tragen jedoch Verantwortung bzw. Mitverantwortung nur in den Aufgabengebieten, für die sie vertraglich eingesetzt sind. Der Denkmalpfleger kann keine Verantwortung übernehmen; er ist aber den gesetzlichen und fachlichen Vorgaben verpflichtet und muss gegebenenfalls ein Veto einlegen.

Bauschadenskartierung und Beurteilung: Die Notwendigkeit einer Schadenskartierung begründet zunächst der Fachmann. Es gibt Fachleute, die grundsätzlich frei, nach Augenschein oder gezielten, selektiven Informationen auf der Baustelle entscheiden. Das kann beim Denkmal schiefgehen, weil der Überblick über empfindliche Details fehlt und den ausführenden Firmen eine zusätzliche Aufgabe der selbständigen Beurteilung denkmalpflegerisch wichtiger Befunde während der Ausführungsarbeiten nicht zugemutet werden kann. Die Firmen sind selbst dann dafür nicht ausgebildet, wenn sie das Zertifikat des Restaurators im Handwerk besitzen. Aus solchen Gründen kann auch der Denkmalpfleger oder der Bauforscher eine Schadensuntersuchung (mit anschließender kontrollierter Planung) verlangen, die sonst – bei gewöhnlichen Altbauten – nicht praktiziert wird. Beispiel: Putzflächen, die Dekorationen tragen oder auch sonst denkmalpflegerisch als Originale wichtig sind und differenziertes Vorgehen bei der Reparatur bzw. Sicherung verlangen. Am durchschnittlichen Altbau werden Putze gern vorsichtshalber abgeschlagen, auch wenn sie überwiegend noch brauchbar sind.

Die Kartierung wird in der Regel vom Fachmann in einer jeweils angemessenen Form durchgeführt. Flächenkartierungen kann der Bauforscher vorbereiten, wenn er die notwendige Routine hat (siehe Einsteinturm); im entscheidenden Moment übernimmt der Fachmann die Arbeit (beim Einsteinturm z.B. Architekt Helge Pitz mit der Prüfung der Hohlstellen). In solchen Fällen reicht eine rein geschäftliche Basis für die Zusammenarbeit nicht aus. Ein besonderes fachliches Vertrauensverhältnis muss im Team bestehen. Die Schadensaufnahme historischer Holzkonstruktionen ist ein besonderer Fall. Wegen der für den Bauingenieur meist unbekannten (und daher oft nicht erkennbaren) konstruktiven und herstellungstechnischen „Klein“-Befunde, die baugeschichtlich sehr wichtig sind, muss der Bauforscher den größeren Teil der untersuchenden Kartierung übernehmen und anschließend mit dem Bauingenieur durchgehen. Da dieser komplexe Arbeitsbereich jedoch bei den Architekturen des Neuen Bauens keine Rolle spielt, wird er hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Eine sehr wichtige Rolle müssen jedoch die restauratorischen Arbeitsbereiche spielen, die die Oberflächen des Bauwerks betreffen, da die Bauwerke der Epoche des Neuen Bauens empfindlich auf den Verlust ihrer originalen Oberflächen reagieren. Das betrifft die neueren Putze, Metalle von Fenstern und Türen und nicht zuletzt Sichtbeton, alles sehr schwierige Baustoffe. Diplomierte Fachrestauratoren sind hier die geeigneten Fachleute, haben ihre Arbeit bei der Schadenserfassung und -beurteilung gelernt und beteiligen Bauphysik und Bauchemie im notwendigen Umfang.

Photos statt systematischer Kartierung waren schon immer beliebt. Einen Überblick über den wirklichen Zustand eines Objekts gewinnt man auf diese Weise jedoch meist überhaupt nicht. Die Fotosammlung der Einzelschäden verfolgt auch selten dieses Ziel, sondern soll beunruhigen und zu schnellen Eingriffen überreden, die dann leider meist nicht koordiniert und abgewogen sind. Auch besonders gute digitale Aufnahmen können eine Schadensaufnahme vor Ort nicht ersetzen. Sie sind oft nicht eindeutig interpretierbar und daher nicht absolut zuverlässig. Aufschlussreich ist ein „Pilotprojekt“ am Kreuztor in Ingolstadt verlaufen, das von einem renommierten, technisch bestens ausgerüsteten Labor überwacht wurde. Da man die „langwierige“ Handaufnahme leid war (vermutlich auch nicht beherrschte), wurde digital photographiert. Auf den hochwertigen Photos wurden am Bildschirm die Schäden der Backsteine mit weißen Kreuzen als schwerste Schadensstufe kartiert, bei der ein Austausch unumgänglich sein sollte. Die Überprüfung durch Bausachverständige vor Ort ergab, dass die angekreuzten Backsteine alle vor kurzem neu eingebaut und sämtlich in bestem Zustand waren. Das hellere Rot der Steine war am Bildschirm als schwerwiegender Schaden interpretiert worden (Farbverwechslung mit mehlenden, zu schwach gebrannten Steinen?). Ursache des Missverständnisses dürfte der ansonsten photographisch richtig gewählte Lichteinfall (diffus, ohne Sonne, kaum Schattenbildung) gewesen sein. Auch Rissbilder lassen sich nicht aus Photos abzeichnen. Interpretationsirrtümer sind bei feineren Rissen (Materialrissen) üblich. Die Photos beim Einsteinturm sind daher nachträglich, als zusätzliche Informationsträger gemacht worden. Photographien sind wertvoll und als Ergänzung notwendig.

Angestrebtes Ergebnis: Die Schadensaufnahme soll einen Überblick über den Zustand eines Bauwerks geben. Dabei kann der Überblick auf eine Schadensart bzw. auf ein Merkmal beschränkt werden, z.B. den Putz (Flächenkartierung) oder die Holzkonstruktion des Dachwerks (Bauteilekartierung). Gerne fasst man Schadensarten und andere Eigenschaften auch zusammen, um Abhängigkeiten zu erkennen (Stuck-Rissbild, Hohlstellen, Spantenkonstruktion, Beplankung zusammen mit Spannungstrajektorien der Holzkuppel der Wieskirche bei Steingaden). Mit der Kartierung sollen (neben dem eventuellen diagnostischen Anliegen) vor allem die Maßnahmen und ihre Verhältnismäßigkeit diskutiert und in einem Ausführungsplan festgelegt werden, damit diese schonend, kalkulierbar, kontrollierbar ablaufen. Die Unterlagen sollen über den Tag hinaus bei der weiteren Alterung des Bauwerks die Erfolge der Maßnahme erkennen lassen und für die nächsten Reparaturen über die Veränderungsprozesse des Bauwerks informieren.

Bauaufnahme und baugeschichtliche Analyse werden oft als zwei aufeinander folgende Schritte gesehen. Diese Sicht erscheint zunächst plausibel, wenn man solche Arbeiten nie selbst durchgeführt hat. Dabei ist die Trennung aus der Not geboren. Bauaufnehmer, die ein Gebäude gut messen und schön darstellen, sind relativ schnell ausgebildet und häufig verfügbar. Baugeschichtlich versierte „Detektive“ unter ihnen sind rar. Deswegen hat sich die Praxis eingebürgert, restauratorische Untersuchungen, die eigentlich der Restaurierung dienen, für baugeschichtliche Zwecke zu erweitern, also die fertigen Bestandspläne einem „Befund“-Restaurator zu übergeben, der am Gebäude Freilegungsproben durchführt und aus ihnen und dendrochronologischen Datierungen Baualterstheorien entwickelt, die in Baualtersplänen festgehalten werden.

Das geht manchmal gut, häufiger aber nicht, wobei man die Fantasien oft schwer von Fakten trennen kann, da Beweisführungen als Notwendigkeit oft nicht erkannt werden und daher nicht Pflicht sind. Die als Befunduntersucher Tätigen haben meist keine ausreichende baugeschichtliche Ausbildung; die Situation ist ähnlich, wie bei den Bauaufnehmern. Im Idealfall ist der Bauaufnehmer baugeschichtlich fortgebildet und hat sich die notwendigen Qualifikationen, vorsichtige Untersuchungen durchzuführen, im Restaurierungsbetrieb angeeignet oder beschäftigt einen Partner mit diesen handwerklichen Kenntnissen. Die baugeschichtliche Aufnahme wird auch analytische Bauaufnahme genannt. Das ist eine treffende Bezeichnung, denn sie drückt aus, dass die Überlegungen zur baugeschichtlichen Interpretation während, besser: mit dem beobachtenden Zeichnen beginnen, durch die Darstellung selbst erkennbar werden oder Verdachtsmomente erzeugen, die über die Untersuchung abgeklärt werden. Beides gehört zusammen. Die Bauaufnahme ist keine Unterlage zur nachträglichen Eintragung von baugeschichtlichen Ideen, sondern ein wesentlicher Bestandteil der Methode, baugeschichtliche Vorgänge in die Zeichenebene zu übertragen und sichtbar zu machen, sowie den Bau – durch die Zeichnung gezwungen -systematisch nach Abbruchspuren, technischen Anschlüssen und Verwandlungen abzusuchen. So weit die einführenden Worte zur baugeschichtlichen Aufnahme.

Daraus folgt, dass in baugeschichtlich wichtigeren Fällen kein Vermessungsbüro, sondern von Anfang an ein in baugeschichtlichen Fragen ausgebildeter Bauforscher und ausgewiesener Bauaufnahmespezialist beauftragt und die Zusammenarbeit mit einem Restaurator ebenfalls von Anfang an vertraglich und organisatorisch geklärt werden sollte.

Aufgabe der historischen Bauforschung ist die geschichtliche Analyse des Bauwerks. Sie soll die entscheidenden Hilfestellungen für das denkmalpflegerische Konzept aus baugeschichtlicher Sicht liefern. Wie eingangs betont wurde, ist der erste Schritt bei Bauten des 20. Jahrhunderts die Beschaffung und Sichtung aller Bild- und Schriftquellen und die Beschäftigung mit dem zeitgenössischen Umfeld. Daraus resultiert das Anforderungsprofil an die Bauaufnahmeleistungen und die Erarbeitung der analytischen Bauaufnahme. Mit der baugeschichtlichen Befunduntersuchung wird die Befundbeobachtung vertieft, die während der Bauaufnahme erste Ergebnisse der Einschätzung von Bau- und Reparaturperioden brachte und wahrscheinlich etliche Fragen aufwarf. Die Baualterspläne sind begleitende Arbeitsergebnisse. Am glücklichen Ende sollte die (abstrakte, nicht bauliche) Rekonstruktion der einzelnen Bauzustände und eine Chronologie der lokalen Reparaturen stehen. Für die Rekonstruktion der einzelnen Bauzustände sind die Untersuchungen des Restaurators in seinem angestammten Metier nötig, mit denen die Ausstattung und Beschaffenheit der Bauzustände nachgewiesen wird. Auf die Nachweise im entsprechenden Bericht kommt es an. Nicht immer gelingen diese lückenlos.

Aus der Schilderung der Abläufe wird klar, dass unter dem Begriff der historischen Bauforschung ein Aufgabenbereich und nicht eine einzelne Person gemeint ist. Wenn sich mehrere Kollegen in die Erkundung der Schrift-, Bildquellen und des Bauwerks teilen, sind enge Abstimmung und Zusammenarbeit nötig. Die Schilderung der Informationen des Bestands und deren Zusammenschau zu vorstellbaren Bauwerks-Situationen und -nutzungen sollte – sofern möglich – die kulturgeschichtliche Einordnung und Erläuterung der Bedeutung einschließen.

Geschichtliche Aussage und Bedeutung. Die – bei ausreichender Dichte der allgemeinen Überlieferung – objektiv erschließbare Aussage und Bedeutung eines Bauwerks im kulturgeschichtlichen Ganzen muss nicht identisch mit der Bedeutung als Denkmal sein, dem sogenannten Denkmalwert. Der Begriff „Denkmalwert“ ist aus verschiedenen Gründen naiv und unglücklich gewählt, obwohl der Vorgang im immateriellen Sinn natürlich eine Bewertung ist. Bei den großen Monumenten, die von vorneherein politische oder kulturelle Demonstrationen darstellten, ist die Nobilitierung zum Denkmal unumstritten, obwohl auch bei ihnen die von der Kunstwissenschaft gewünschte Kenntnis der Herkunft der Bauideen nicht immer klar nachgewiesen ist. Die Beurteilung wird umso schwieriger, je weiter der Denkmalbegriff gefasst wird. Hinzu kommt die Verwandlung der Bauwerke durch Umbauten bis hin zur täglichen Veränderung. Neuere Bilanzen der historischen Bauforschung haben gezeigt, dass die Denkmallisten in fast allen Fällen überarbeitet und neu formuliert werden mussten, in denen einzelne Bauten untersucht worden waren. Nachdem die Bauforschung im Kern einer mittelalterlich gegründeten Stadt 25 Jahre lang an jedem Altbauvorhaben beteiligt worden war, ergab sich eine Änderungsquote von ca. 95% des Listeninhalts, mit erheblichen Nachträgen und Umdatierungen (auch bei sakralen Bauten).12 So leistet die Bauforschung durch Untersuchungen eine intensive Unterstützung der Inventarisation, die ihrerseits vom Augenschein ausgehen muss, soweit sie nicht über eindeutige historische Daten verfügt.

Der jeweils ursprüngliche Bau. Bei den Neubauten des 20. Jahrhunderts entfällt diese Problematik der Datierungen und der völlig versteckten Denkmalkerne. Es bleibt für die Inventarisation das Problem der Kriterien, der Kenntnis und Auswahl der Bauten, welches die Arbeit der Bestandsaufnahme aber nur geringfügig berührt. Da es sich um Entwurfsleistungen von Architekten im heutigen, akademischen Sinn handelt, ist davon auszugehen, dass viele zufällige und unbedachte Veränderungen der Bauten mit den Grundgedanken der Bauabsicht kollidieren. Die baugeschichtliche Aufgabe ist verhältnismäßig einfach. Es geht darum, anhand der durch Baubefund kontrollierten Archivalien und des Befundes spätere Veränderungen kenntlich zu machen. Schwieriger kann dann die abstrakt – wissenschaftliche Rekonstruktion des bauzeitlichen Zustands werden. Bei älteren Bauten mit schwer lesbarem ursprünglichem Baubestand ist die Rekonstruktion des Ur-Zustands ein wichtiger Schlüssel, um das Bauwerk in Ursprung und in Veränderungsphasen überhaupt zu verstehen und einzuordnen. Bei den Bauten der Moderne ist dieses Problem des Verstehens nicht so ausgeprägt gegeben. Die Denkmal-Wertung des reduzierten oder vollständig erhaltenen (immer gealterten) Originals erfolgt aber auch hier getrennt von der Erfassung und Erläuterung.

Die Veränderungen des ursprünglichen Baus. Die vielen möglichen Veränderungsvarianten müssen hier nicht aufgezählt werden. Jeder kennt die Folgen des Fortschritts in unserer Baukultur. Sie reichen von der durchdachten Erweiterung über die Verschandelung mit Katalogware bis zur Entkernung auch jüngster Bauten. Die Installationen dürften fast immer geändert worden sein und vieles, was mit der Bauphysik zusammenhängt. Die Bauforschung kann die Veränderungen benennen. Die Beurteilung einer Bereicherung oder unangemessenen Veränderung ist schwieriger als gedacht, da es nicht nur um den Verunstaltungsbegriff (also einen Gestaltwert) geht, über den abgesehen davon keineswegs Konsens herrscht. Welche gesellschaftlichen und politischen Umbrüche haben Spuren hinterlassen? Worüber sprechen die Bauten? Sollen noch vorhandene Auswirkungen der nationalsozialistischen Bedrohung der Neuen Architektur erhalten bleiben und an die Praktiken der innenpolitischen Provokation, Einschüchterung und profitierenden Mitwirkung mahnend erinnern? Hat eine Bauperiode der politisch bedingten Entstellungen eine Bedeutung, kann sie Denkmalbedeutung für sich in Anspruch nehmen? Dürfen die Zeugen dieser der Bücherverbrennung vergleichbaren Taten entschärft werden? Solche Fragen können sich bei der Erarbeitung eines denkmalpflegerischen Konzepts stellen.

Bewertung der geschichtlichen Stationen; denkmalpflegerisches Konzept. Spätestens im Rahmen des denkmalpflegerischen Konzepts findet die oben angeschnittene Bewertung der Bauperioden und Bauzustände statt. Die weitest gehenden konträren Positionen wären:

  1. Der aktuelle Zustand wird gesichert, weiter gepflegt, um notwendige Funktionen ergänzt. Die Nutzung passt sich der Situation an, so dass sich die notwendigen Funktionen in angemessenem Rahmen halten (Konzept der Respektierung der baugeschichtlichen Biographie).
  2. Der Urzustand wird wieder hergestellt, alle späteren Zutaten entfernt, das ursprüngliche

Aussehen wird rekonstruiert. Der erste Zustand wird hoch bewertet, die späteren Zustände werden als bedeutungslos eingestuft.

Die zweite Position birgt die Gefahr des Verlusts interessanter, aber unterbewerteter Bauzustände; eventuell wird die Bewertung ein oder zwei Jahrzehnte später völlig anders ausfallen und das radikale Vorgehen sehr bedauert; wir kennen viele solche Fälle. Außerdem entsteht ein zweites Problem: mit der Rekonstruktion werden nicht nur spätere, ungeliebte Bauzustände entfernt. Aus technischen Gründen muss mehr oder weniger an Originalsubstanz für die technischen Anschlüsse der Rekonstruktion geopfert werden. Das kann bei Putz und Anstrich bis zu 100 Prozent gehen. Manchmal wird das in der Denkmalpflegerstube nicht bemerkt, da sich die Folgen der Entscheidung weit entfernt auf der Baustelle abspielen. Wenn ein Gegner der Rekonstruktion auf diese Folgen hinweist, dient manchmal das Argument, es ginge letzten Endes nicht um Substanz, sondern um das Bild (den Eindruck, die Erlebbarkeit, die Vermittlung …) als Ausflucht.

Neben diesen Positionen gibt es Mittelwege. Dann spielen Argumente eine Rolle, dass ab einem bestimmten Augenblick eine Störung bzw. eine Entstellung eingetreten sei, die geheilt werden solle. Natürlich sind viele solche Bewertungen aus der Sicht des Historikers parteilich. Sie spiegeln zeitbedingte persönliche Auffassungen wider und stehen in Opposition zur jeweiligen jüngeren Vergangenheit oder Gegenwart, die die Störungen des Denkmals verantwortet hat. Bei der Mehrheit der Restaurierungen werden solche Mittelwege beschritten. Wir sollten nicht vergessen, dass jede jetzt getroffene Entscheidung auch Teil der Geschichte des Bauwerks sein wird. Entscheidungen können sich wie Kratzer auf der Schallplatte auswirken: einmal passiert, springt die Nadel immer wieder in die selbe Rille zurück und wir kommen fortlaufend zum Thema der Restaurierung der Restaurierung der Restaurierung.

Verlustbilanz-Kartierungen als Regulativ. Es ist nicht möglich, hier das Thema der Wertung und ihrer Folgen zu vertiefen und Schlussfolgerungen oder gar Hilfen zu entwickeln; schließlich handelt es sich um ein schwieriges, gefährliches und bis heute unbewältigtes Thema der Denkmalpflege. Es genügt darauf hinzuweisen, dass konzeptionell zu ehrgeizige Entscheidungen unumkehrbar sind und im Laufe der Geschichte der Denkmalpflege zu vielen, später bedauerten Verlusten geführt haben. Konzepte bleiben oft bei diesen gedanklichen Abwägungen stehen, werden oft in wenigen pauschalen Sätzen formuliert. Die Realisierung wird Restauratoren, Architekten, Technikern und Firmen überlassen. Dieser Weg geht in die falsche Richtung. Ist ein gedankliches Ziel auf der Grundlage der baugeschichtlichen Analyse und der geschichtlichen Bewertung gefunden, beginnt die Erarbeitung des realen, praxisgeprüften Konzepts. Die beteiligten Fachdisziplinen sollen Verlustbilanzen erstellen, die auf der vorgeschlagenen Zielstellung beruhen und in diesem Rahmen ihre technischen Alternativen zur Lösung von baulichen Problemen nutzen. Verlustbilanzen sind Pläne, mit denen die Verluste wie wegzuschneidende Balken, zu entfernendes Mauerwerk, abzuschlagende Putzflächen usw. z.B. gelb angelegt sind. Alternativen der Sicherung versuchen, die gelbe Farbe in diesen Plänen zu verringern. Mit einer umgekehrten Darstellung kann visualisiert werden, was vom Originalbestand tatsächlich bleibt, wenn das Konzept realisiert würde und wie hoch demgegenüber der Prozentsatz neuer Substanz ist. Gerade bei Rekonstruktionen bleibt nach dem Wegnehmen der späteren Bauperioden meist überraschend wenig übrig. Dieser Kontrollaufwand der Simulation kann Rekonstruktionskonzepte kippen und spart oft erhebliche Baukosten ein.

Ein denkmalpflegerisches Konzept reicht heute bei einer vorbildlichen Maßnahme von der Bewertung der baugeschichtlichen Voruntersuchungsergebnisse bin zu den technischen Entscheidungen der Sicherung von Baukonstruktion und Oberflächen. Die baugeschichtliche Untersuchung zeigt, wo wichtige Befunde und Zusammenhänge bestehen, die nicht wegsaniert werden sollen und weist der konstruktiven Sanierung Wege. Die restauratorische Untersuchung zeigt, wie die Sicherung und Ergänzung (Musterflächen) der oberen Schichten, der Epidermis des Denkmals, funktionieren könnte. Der Tragwerksplaner prüft in Zusammenarbeit mit Bauforschern und Restauratoren die schonendsten Alternativen der Konsolidierung der Baukonstruktion und kartiert die günstigsten Bilanzen. Der Architekt hat umfangreiche und schwierige Aufgaben der Harmonisierung der Haustechnik, der bauphysikalischen, baurechtlichen und sonstigen Anforderungen sowie der Bauleitung, Baudurchführung und Finanzkontrolle im Rahmen des Konzepts zu erfüllen, das er zusammen mit dem Denkmalpfleger entwickelt hatte. Seine umfangreichen planerischen und organisatorischen Aufgaben waren in diesem kurzen Beitrag nicht zu umreißen. Seine geistige Aufgabe ist die Wiedergewinnung oder Schließung der Einheit von Gestalt und Aussage, die man mit aller Vorsicht auch als gestalterische, allerdings weitgehend vorbestimmte Aufgabe bezeichnen kann. Dabei bildet die Erhaltung der geschichtlichen Fülle und der biographischen Identität des Bauwerks den Rahmen für sein Fortleben. Und wo bleibt das Entwerfen und die Selbstverwirklichung? All das wird durch das allumfassende konservatorische Konzept in der gemeinnützigsten Weise ersetzt.

Exkurs zur Voruntersuchung am Einsteinturm in Potsdam: eine besonderes Bauwerk und ein dennoch typisches Beispiel

Obwohl der Einsteinturm als Entwurf und Vorstellung nicht mit dem Durchschnitt der Moderne vergleichbar ist, eignet er sich dennoch beispielhaft, einige der ausgesprochenen Empfehlungen zu illustrieren. Neue Baustoffe, insbesondere das Bindemittel Zement, der Baustoff Beton und Baustahl wurden nicht nur am Einsteinturm, sondern ganz allgemein in ihrer Haltbarkeit überschätzt. Konstruktive Elemente wie Gesimse, Abdeckungen, Fenster, Türen wurden nicht nur am Einsteinturm unter neuen formalen Prämissen entwickelt. Langzeiterfahrungen zum Verhalten der neuen Baustoffe und Baukonstruktionen konnten bis dahin noch nicht in ausreichendem Umfang gemacht werden, obwohl Roman- und Portland-Zemente bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Gebrauch waren. Dies bedeutete dennoch eine zu kurze Erprobungszeit. Daher galt auch der Schwerpunkt der Untersuchungen am Einsteinturm den Materialien und Schäden. Die Gutachtertätigkeit und die spätere Mitwirkung an den Untersuchungen schloss einige persönliche Eindrücke mit ein, die ich nicht weglassen möchte. Als Teilnehmer der Fachberatungen seit Februar 1994 erhielt ich im Juli 1997 eine Ausarbeitung der Architekten Pitz & Hoh, “Der Einsteinturm in Potsdam, Voruntersuchung zur Sanierung, Kurzfassung, 211 Seiten, Juni 1996“. In den nächsten Monaten hatte ich die Gelegenheit, viele der Aussagen des Konvoluts am Bauwerk durch eigene Arbeit nachzuvollziehen und das Büro sowie den verantwortlichen Tragwerksplaner Gerhard Pichler weiter kennen zu lernen.

Vorarbeiten. Die Untersuchung gehört zum Besten, was ich in den 30 Jahren meiner einschlägigen dienstlichen Tätigkeit studieren konnte. Wer ein Vorbild zur Arbeit mit Schrift-und Bildquellen kennen lernen will, um eine Instandsetzung anzugehen, sollte sich diese Arbeit ansehen. Christine Hoh-Slodczyk ermöglicht dem Leser ein modifiziertes Urteil über das spontane Entwerfen dieses Bauwerks (gebaute Skizze) allein mit der sorgfältigen Vorlage des Planmaterials.13 Wir sehen exakte Entwurfsstadien und sehr exakte Werkpläne in unterschiedlichen Versionen, mit denen immer wieder auf Änderungswünsche eingegangen wurde, begleitet von den bekannten Skizzen. Das eigentliche Problem bei vielen der überlieferten Pläne ist, dass sie nicht eindeutig datiert sind, so dass ihre Reihenfolge anhand anderer Informationen rekonstruiert werden musste. Ein Konvolut an präzisen Planrissen ist jedoch August und September 1920 im Zusammenhang mit der Baugenehmigung datiert und zeigt die endgültige Bauabsicht im formalen Bereich, während sich Modifikationen im Konstruktiven fortsetzen. In der „Kurzfassung“ wird auf Seite 103 ein Beispiel der Prüfung, Überarbeitung und Verwendung der alten Planunterlage, hier als Raumbuchblatt: Untergeschoss, Obergeschoss, gegeben (Abb. [l]). Das Gebäude musste im Inneren in Grundrissen und Schnitten nicht neu vermessen, sondern nur neu ausgewertet werden.

Abb.1 Einsteinturm Potsdam, verwendbarer alter Grundriss mit Tektur, Untergeschoss (Büro Mendelsohn), geprüft (Büro Pitz&Hoh)

Abb.1 Einsteinturm Potsdam, verwendbarer alter Grundriss mit Tektur, Untergeschoss (Büro Mendelsohn), geprüft (Büro Pitz&Hoh)

Bei den Ansichten war das anders. Sie entsprachen wegen zu vieler äußerer Veränderungen nicht mehr den alten Plänen. Außerdem zeigen die kürzelhaften Darstellungen und Angaben solcher Pläne grundsätzlich nicht die Anwendung von Materialien, wie sie für Entscheidungen des Restaurators oder Reparateurs notwendig sind. Daher waren Neuvermessung und thematische Präzisierung auf jeden Fall erforderlich. In Anlehnung an unsere Empfehlungen von 1994 wurden die Ansichten von einer erfahrenen Firma stereophotogrammetrisch erfasst und kartiert. Diese Pläne sollten der Beurteilung der unterschiedlichen Putze, der Erfassung von Rissen und Schäden dienen. Abb. [2] zeigt einen der photogrammetrischen Pläne, die 1995 im noch angestrichenen Zustand des Bauwerks ausgeführt wurden. Pitz & Hoh und Gerhard Pichler kartierten in diesen Plänen alle verfügbaren Informationen: Hohlstellen, sichtbare Risse, teilweise vom Hubsteiger aus und datierbare Putzerneuerungen, soweit diese auf alten Photographien gut dokumentiert waren. Verglichen mit den späteren, vom Gerüst aus vorgenommenen Kartierungen sehen vor allem die Rissfiguren anders aus und können auch zu anderen Interpretationen führen. Dabei waren diese Ausarbeitungen mit der größtmöglichen Sorgfalt vorgenommen worden. Ein solches ergänzungsbedürftiges Ergebnis ist mir auch von anderen Baustellen aus eigenen oder aus Untersuchungen meiner Mitarbeiter geläufig. So lange kein Gerüst steht und die alten Anstriche noch alles überlagern, stellt sich alles anders als nach der Säuberung dar. Das gilt für mittelalterliche oder neuzeitliche Bauwerke genau so wie für solche des 20. Jahrhunderts. Lediglich bei Sichtbeton ist das Bild zuverlässiger. Das im angestrichenen Zustand erkennbare Rissbild der Westseite könnte nahe legen, dass die Rissbildung etwas mit den in die Außenmauer einbindenden Bauteilen der Treppe zu tun hat. Nach der späteren Kartierung Abb. [3 und 4] vom Gerüst aus ist das aber eindeutig auszuschließen. Es zeigte sich auch, dass die vor dem Abwaschen sichtbaren Risse keine größeren und damit anders zu bewertenden Risse als die später freigewaschenen sind. Ist ihre vorherige Sichtbarkeit also nur Zufall? Der Vergleich von Abb. [2 und 4] legt nahe, dass die Selbstfreilegung auf bauphysikalische Ursachen zurückzuführen ist. Eindeutig ist auch der Bewegungsriss A, der sich vom Materialkrakelee deutlich abhebt. Er bestätigt den in den Werkplänen dargestellten Materialwechsel von Betonkalotte zu Backsteinwerk. Die Bauausführung folgt hier der Planung.

Abb.2 Einsteinturm Potsdam, Westseite, Vorzustand vor Einrüstung, photogrammetrisch (Photogrammetrie Freiburg)

Abb.2 Einsteinturm Potsdam, Westseite, Vorzustand vor Einrüstung, photogrammetrisch (Photogrammetrie Freiburg)

Abb.3 Einsteinturm Potsdam, Westseite, Rissbild und Reparaturflächen nach Reinigung von Tünchschichten (Mader)

Abb.3 Einsteinturm Potsdam, Westseite, Rissbild und Reparaturflächen nach Reinigung von Tünchschichten (Mader)

Abb.4 Einsteinturm Potsdam, Westseite, Überlagerung mit der einbindenden Baukonstruktion des Inneren (Inneneinmessung Hoolly)

Abb.4 Einsteinturm Potsdam, Westseite, Überlagerung mit der einbindenden Baukonstruktion des Inneren (Inneneinmessung Hoolly)

Einrüstung und Entfernung der Anstriche 1997. Einrüstung ist die Voraussetzung der weiteren Freilegung und Beurteilbarkeit des Schadensbildes. Das Gerüst, eine eigene eindrucksvolle tragwerksplanerische Leistung Pichlers, eine imposante Halle, wie Abb. [5] zeigt, muss das komplexe Gebäude frei überbrücken und verdeckt dennoch in vielen Bereichen den vorher freien Blick auf die Bauoberfläche. Abb. [6] zeigt eine dieser Situationen. Eine photogrammetrische Nachbearbeitung der abgewaschenen Situation ist daher (wie immer nach Einrüstung) nicht mehr möglich, nur eine Nachkartierung von Hand. Eine Besichtigung ohne Kartierung führt nicht zum Ziel, da sich ein Überblick über die ganze Fläche der Westansicht nicht gewinnen lässt. Das von Pichler bereits bei der Voruntersuchung in fünf Kategorien charakterisierte Rissbild ist nach der Säuberung von Anstrichen beeindruckend und weitaus intensiver als erwartet, in seiner fünften Kategorie der Putz-Materialrisse sehr engmaschig. Deutlich sind jetzt die vielen Reparaturperioden zu erkennen, Schalungsabdrucke, Rostsprengungen, originale und spätere Aufdopplungen, mit denen fließende Übergänge modelliert wurden, die am Rohbau nicht zu erzielen waren. Pichlers ursprüngliche Kategorisierung, die sich bestätigt findet, gibt natürlich – abgesehen von den eindeutig erkennbaren Problemen der Fensterbrüstungen – noch keine Antwort auf Fragen nach Einzelursachen, nach dem Überwiegen von Ursachen, der Generalisierung von Einzelbeobachtungen und nach der Frage, die in vorangegangenen Diskussionen angesichts der innen und außen vollflächig verputzten Konstruktion gestellt wurde: stimmen die Materialgrenzen Beton zu Backstein mit den Eingabe- und Werkplänen des Büros Mendelsohn überein? Die letzte Frage nach der versteckten Baukonstruktion wird häufig gestellt und auf der durchschnittlichen Sanierungsbaustelle sehr einfach durch totales Abschlagen aller Putze gelöst, womit auch den anerkannten Regeln der Bautechnik Genüge getan ist. Wäre das auch für unser Baudenkmal die geeignete Lösung?

Abb.5 Einsteinturm Potsdam, nach Einrüstung 1998 ...

Abb.5 Einsteinturm Potsdam, nach Einrüstung 1998 …

Abb.6 ... mit besserem Einblick ins Detail (nach Reinigung), aber erschwertem Überblick

Abb.6 … mit besserem Einblick ins Detail (nach Reinigung), aber erschwertem Überblick

Nachkartierung. Eine Nachkartierung von Hand erwies sich unvorhergesehen als sehr umfangreich und im Finanzierungskonzept so nicht vorgesehen und konnte daher in der Baukommission nicht weiter verfolgt werden. Bei jeder Restauratorenarbeit wäre vor und während der unumgänglichen Eingriffe eine Arbeitsdokumentation Pflicht. Das Bauwerk ist bedeutend genug, um Grundsätze aus der Restauratorenarbeit in die raue Bauwirklichkeit zu übertragen. Auch das wegen der Einrüstung unübersichtliche Schadensbild würde dafür sprechen, nicht einfach mit Abschlagen und Erneuerung loszulegen. Da mich das Ergebnis einer solchen Kartierung, aber auch unsere eigene Leistungsfähigkeit interessierte, übernahm ich die Aufgabe ehrenamtlich und kostenfrei für unseren sympathischen Gastgeber und Bauherrn, das Astrophysikalische Institut – nicht zuletzt als Dank für seine jahrzehntelange unermüdliche und vorbildhafte Sorge um das kulturelle Erbe. Eine weitere Voraussetzung für eine solche Entscheidung war die exzellente Qualifikation der Partner des Teams Pitz&Hoh / Pichler und ihrer Mitarbeiter, da sich ein solcher Einsatz sonst überhaupt nicht gelohnt hätte. David Hoolly, einer meiner engsten Mitarbeiter, der in Berlin wohnt, war bereit, gegen eine bescheidene Aufwandsentschädigung mitzuarbeiten. Wir wollten auch etwas lernen. Wir lernen alles von den Gebäuden und unseren Partnern. Mit Hoolly wurde die Arbeit in etwa halbiert, die besonders mitgenommene Westseite interessierte mich und Hoolly übernahm die drei anderen Ansichten und später die Inneneinmessung der Treppen und Kartierung von Innenputzen unter gesonderten Konditionen. Außerdem wollte er die nun deutlich auch am Bau erkennbaren Putzflickungen den archivalisch bekannten Perioden noch einmal zuordnen. Er schaffte es perfekt. Als wir, fast fertig, unten in Erdnähe angelangt waren, begannen die Abschleifarbeiten der Bitumenbeschichtung, Wir wurden am letzten Tag kohlrabenschwarz. Am schwierigsten war der Schutz des Zeichenblattes. Etwa vier Quadratmeter der Westansicht, in denen die Risse auch für das Auge der Kamera sehr deutlich sind, wurden probeweise auch photographisch ausgewertet.

Methode. Vor und während unserer Zeichenarbeiten untersuchten Helge Pitz und G. Martini den gesamten Außenbau wie zwei Spechte noch einmal exakt auf Hohlflächen. Ein geschultes Gehör ist nötig. Mit Kreide wurden die Hohlflächen umgrenzt, nach Beendigung des Rissbildes zeichnete Hoolly diese Kreidefiguren vor Ort in Laserkopien unserer Pläne ein; ich schraffierte seine Vorlage später ins Reine (Abb. [7]).

Abb.7 Einsteinturm Potsdam, Westseite, Überlagerung mit den Hohlflächen des Putzes (Ermittlung Pitz und Martini)

Abb.7 Einsteinturm Potsdam, Westseite, Überlagerung mit den Hohlflächen des Putzes (Ermittlung Pitz und Martini)

Für die Messung arbeiteten wir mit einem Raster, dessen Grundlinien mit Theolaser angelegt und auf die photogrammetrischen Passpunkte bezogen wurden, damit unsere Ergebnisse später mit denen der Photogrammetrie leicht verglichen werden konnten. Das Raster wurde an allen Kreuzungspunkten deutlich (photographierbar) markiert und beschriftet, die Rasterlinien wurden mit feinem Blei gezogen. Rasterung bewährt sich gerade bei Einrüstungen mit erheblichen Hindernissen der Sicht oder Zugänglichkeit und wird in unserer Praxis seit längerem bei größeren Mauerflächen als beste Methode praktiziert. Gemessen und aufgetragen wird von den Rasterlinien aus mit Koordinatenmaßen nur das Nötigste, um Risse lagerichtig porträtieren zu können. Die gesamte Zeichenleistung erfolgt vor Ort. Schnelligkeit und Präzision hängen von der erworbenen Routine ab. Diese muss vorhanden sein, sonst bewältigt man die großen Flächen nicht und verzweifelt an den ständigen Hindernissen des Gerüsts oder den Problemen der Projektion sich wegkrümmender Flächen. Anschließende Mittelformatphotos haben eine statistische Kontrollfunktion für die Qualität des Porträts; man kann erkennen, wie realitätsnah die Figuren erfasst wurden. Die Photographien geben auch einen Eindruck von der jeweiligen Gesamtbeschaffenheit der Oberfläche. Ob sich der Zeichner bei der Interpretation eines Risses geirrt hat, lässt sich anhand von Photos jedoch nicht zuverlässig überprüfen. Eine spätere Auswertung nach Photos ist aus den gleichen Gründen nicht empfehlenswert: Risse werden nicht selten verschluckt. Neuere Erfahrungen mit hochauflösenden Digitalaufnahmen sind besser.

Ergebnisse. Der Vergleich mit der photogrammetrischen Kartierung war interessant. Die Bildmessung Freiburg hat gut ausgewertet. Die definierten Details wie Verblechungen, Blitzableiter, scharfe Kanten stimmten durchwegs auf den Zentimeter mit unseren Messungen überein. Die Baukonturen waren bei den sich wegkrümmenden Flächen hingegen fehlerhaft, wie Probemessungen von zusätzlichen Laserstandpunkten aus zeigten. Das ist normal und nicht unerwartet, da die Zentralperspektive der photogrammetrischen Auswertbarkeit Grenzen setzt. Die Rissbilder, so weit seinerzeit kartierbar, waren gut kongruent zu unseren, nur waren einige der signifikant erscheinenden Oval-ähnlichen Figuren Materialwechsel, d.h. Flächengrenzen von Reparaturen. Um mögliche Einflüsse der aussteifenden Treppen und Decken kennen zu lernen, überlagerten wir das Rissbild mit der inneren, von Hoolly gemessenen Baustruktur zu gläsernen Ansichten, wie Abb. [4] zeigt. Es besteht eindeutig, wie jetzt zu erkennen ist, kein baustatischer Zusammenhang zwischen den in das Mauerwerk einbindenden Treppenläufen und den Rissen. Die Auffassungen Pichlers wurden bestätigt, dass der Rohbau mit seiner Gründung und Aussteifung einwandfrei steht. Die wabenartigen Risse sind durchwegs Materialrisse der Putze und entstanden nicht aus statischen Einflüssen des Rohbaus. Von Interesse sind die Zusammenhänge zwischen Hohlflächen, dortigen Materialspannungen und Mörtelarten (die den Perioden entsprechen), die erst in einer Gesamtkartierung ausgewertet werden können. Alle Schlussfolgerungen der Putzrestauratoren sind anhand sorgfältig ausgewerteter Stichproben lokal abgesichert. Die Oberflächenkarte ermöglicht die präzise Lokalisierung dieser Stichproben im Zusammenhang. Vorbildlich ist das unter Leitung des Architekturbüros Pitz&Hoh vorgegebene Konzept der minimalen Eingriffe dieser Proben-Entnahmen und Einblicke. Die Position solcher Öffnungen ist zur Beantwortung gezielter Fragen an möglichst wenigen, aber mutmaßlich aufschlussreichen Stellen gewählt.

Mit diesen Kartierungen konnten die Bestrebungen zur Erhaltung des Putzmantels des Bauwerks unterstützt werden. Ob die Arbeit in späteren Zeiten von Nutzen sein wird, hängt ganz davon ab, mit welchem Konzept die nächste Reparatur verwirklicht wird. Wenn das Konzept Altbausanierung heißt und wenn in alte Sündenfälle der Denkmalpflege zurückfallend, alle Putze abgeschlagen werden, wie ich das sogar bei bedeutenden romanischen oder gotischen Kirchen vor 30 Jahren miterlebte, würden die Pläne nicht mehr gebraucht. Würde das jetzige Konzept weiter verfolgt werden, dürften Nachträge in den vorhandenen Plänen genügen. Die Schadenstendenzen könnten Periode für Periode besser erkannt werden, Vorhersagen und bessere Schutzmaßnahmen wären dann möglich. Das Materialproblem Zement ist demgegenüber ohne Verzicht auf das Originalmaterial, aber wohl auch bei völliger Erneuerung der Zementputze unter Verwendung chemischer Additive nach heutigem Kenntnisstand nicht lösbar.

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Anmerkungen

  1. 1. Huse, Norbert: Facetten eines Baudenkmals. In: Huse (Hrsg.), Mendelsohn. Der Einsteinturm. Die Geschichte einer Instandsetzung, Stuttgart Zürich 2000, S.14ff.
  2. 2. Pitz & Hoh: Der Einsteinturm in Potsdam, Voruntersuchung zur Sanierung, Kurzfassung, Juni 1996 S.107-131.
  3. 3. Klein, Ulrich: Bauaufnahme und Dokumentation, Stuttgart 2001, S. 12 ff.
  4. 4. Grimm, Albrecht: 120 Jahre Photogrammetrie in Deutschland. Das Tagebuch von Albrecht Meydenbauer, dem Nestor des Messbild-Verfahrens, in: Deutsches Museum, Abhandlungen und Berichte, 45 Jg. 1977 Heft 2, S.15.
  5. 5. Mader, G. Th.: Verformungsgerechtes Aufmaß, Dokument und Arbeitsgrundlage. Wertung der derzeitigen Praxis, in: Turm – Fassade – Portal. Colloquium zur Bauforschung, Kunstwissenschaft und Denkmalpflege an den Domen von Wien, Prag und Regensburg. Regensburg 2001, S.145-155.
  6. 6. Einführung in das Architektenaufmaß: Wangerin, Gerda: Bauaufnahme. Braunschweig 1992, mit Abstechern zu geodätischen Verfahren, wie Geländeaufnahmen, auch einfachen Hinweisen zur Bauforschung.
  7. 7. zuletzt Szaktilla, Sebastian: Bauingenieure und Bauaufnahme, in: Weferling/Heine/Wulf (Hrsg.): Von Handaufmaß bis High Tech, Mainz 2001, S.50, auch: Haller, Jürgen/Pörtner, Rudolf: Bau- und Schadensaufnahmen von alten Bauten nach den Erfordernissen des Bauingenieurs, in: Arbeitsheft 7 des SFB 315, Uni Karlsruhe 1986, S.84. Die Darstellung der Baukonstruktion ist für Umbauentscheidungen des Architekten ebenso wichtig.
  8. 8. Zum Vergleich der Verfahren: Mader, Gert Th. / Aumüller, Thomas / Franz, Stefan: Untersuchung alter Stadtquartiere – Ein Vorbericht zum Abschluss der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Arbeiten in Pirna, in: Erhalten historisch bedeutsamer Bauwerke: Baugefüge, Konstruktionen, Werkstoffe, Jahrbuch 1995 Sonderforschungsbereich 315, Univ. Karlsruhe, Berlin 1997, S.85-120.
  9. 9. Wiedemann, Albert: Handbuch Bauwerksvermessung. Basel 2004, zeigt in seinem mathematisch gut belegten Buch der Theorie der Vermessung (die Bauwerke und ihre Eigenschaften fehlen in dem Werk) im Kapitel 6 Laserscanning S.248 ff. implizit, dass mit einigen existierenden Varianten des räumlichen Laserscannings mit EDM Bauaufnahmen mit Messangaben von Baupunkt zu Baupunkt grundsätzlich möglich sind; in der Realität wird das bisher aber nicht geleistet. Stattdessen werden Abbilder mit in sich variierenden Auflösungen geliefert. Wenn die Technologie so weit fortgeschritten ist, dass die Punktwolken wie eine tachymetrische Einzelmessung verfügbar sind, beginnt aber erst das Punkte-Definitionsproblem, das die Tachymetrie in der Bauaufnahme heute hat. Vermutlich wird eine gemeinsame Lösung dieses Problems, welches zur Zeit aber noch ignoriert wird, in etwa 10 Jahren zu erwarten sein: eine Herausforderung für die Baugeschichtler. Zum einschlägigen Problem und weiteren Schwierigkeiten aus der Sicht der historischen Bauforschung: Schuller, Manfred: Mehr Denken statt nur Messen, in: Weferling/Heine/Wulf (Hrsg.): Von Handaufmaß bis High Tech, Mainz 2001, S.213.
  10. 10. Es gehört zum Wesen von Studienleistungen, dass Fehler vorkommen dürfen. Schadensersatz auch bei schweren Fehlern ist daher kaum einklagbar, sofern nicht eine professionelle Firma vorgetäuscht wurde. Von den Lehrkräften wird grundsätzlich nur die zutreffende Anwendung der Methode, nicht die Übereinstimmung mit dem Bauwerk geprüft.
  11. 11. Petzet/Mader: Praktische Denkmalpflege. Stuttgart 1993, 1995, S. 178 ff., hier alle weiteren Informationen.
  12. 12. Stadt Schongau (Hrsg.): Baugeschichtliche und archäologische Spuren in Schongau, Schongau 2002
  13. 13. Eine endgültige Darstellung ist in der Abschlusspublikation allgemein zugänglich: Hoh-Slodczyk, Christine: Von der Skizze zum Turm – vom Skizzieren zum Bauen, in: Norbert Huse (Hrsg.): Mendelsohn. Der Einsteinturm. Die Geschichte einer Instandsetzung, Stuttgart Zürich 2000, S.28-51. In den Anmerkungen wird auf Planverzeichnisse und Auffassungen früherer Autoren eingegangen.

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