Denkmalschutz als Prototyp für eine kreative energetische Bestandssanierung

_ von Olaf Bartels

 

Energetische Sanierung von Bauten der (Nachkriegs-)Moderne

Wenn das Wetter ein ums andere Mal Kapriolen schlägt, Erdöl- und Erdgaslieferungen in politischen Krisen als politische Druckmittel eingesetzt werden oder sich die Kriege um fossile Rohstoffe immer weiter ausbreiten, erkennen nicht nur Politiker die Notwendigkeit zum Handeln. Beides, die Ressourcenabhängigkeit und der weltweite Überschuss an Kohlendioxid, der für die Erderwärmung und den Klimawandel verantwortlich gemacht wird, bestimmen ganz wesentlich die Diskussion um das Bauen schon seit den 1970er Jahren. Seit dem beim Heizen und Kühlen von Gebäuden ein immenses CO2-Einsparvolumen festgestellt wurde, verschärfen Energieeinsparverordnungen ihre jeweiligen Vorläufer in immer kürzeren Abständen und stellen Gebäudetechniker und Architekten vor immer größere Herausforderungen. Für Neubauten konnten bereits technisch, aber auch architektonisch gute Lösungen entwickelt werden. Die demonstrative Apparateästhetik der Pionierjahre wird zunehmend von bauimmanenten Ansätzen abgelöst, die auch Anleihen an historischen Bauweisen nehmen. Klimagerecht wird schließlich nicht erst seit den aktuellen Krisen gebaut.

Gerade aber der bauliche Bestand und damit auch das baukulturelle Erbe stellen die größten bautechnischen und architektonischen Herausforderungen bei ihrer energetischen und klimagerechten Optimierung dar, wenn sie den Anforderungen der Energieeinsparverordnungen der letzten Jahren folgen sollen. Nicht ohne erheblichen Druck der Dämmstoffindustrie, deren Lobbyisten zudem maßgeblichen Einfluss auf die Gesetzgebungen in Deutschland genommen haben, konzentrieren sich die Eingriffe in die bauliche Substanz auf die Dämmung von Außenwandflächen. Das hat teilweise verheerende bauphysikalische und ökologische Folgen und großen Einfluss auf das Bild von Wohngebieten und ganzen Städten. Die Debatten um die Behandlung von Backsteinoberflächen in Hamburg oder den Umgang mit Fachwerkhäusern in Tübingen haben die baukulturelle Relevanz dieses Themas gezeigt. Veränderungen im Stadtbild erscheinen der Bevölkerung offenbar vor allem dann als schmerzlich, wenn sie sich in ihrer Identifikation mit den Städten und Bauten ihrer alltäglichen Umgebung gestört fühlen. Nicht ohne Grund nehmen Politiker wie der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Bündnis 90/die Grünen) oder die Niedersächsische Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Cornelia Rundt (SPD) solche Veränderungen in ihren Argumentationen auf, stellen sie aber als unabdingbar dar und werben mit positiven Effekten für das Klima und nicht zuletzt mit ökonomischen Vorteilen bei den Energiekosten. In dieser Debatte bleibt allerdings offen, ob das Erreichen der Klimaziele, insbesondere das Einsparen von Kohlendioxid-Emissionen, das Schonen der Ressourcen und damit auch das Reduzieren von Importabhängigkeiten tatsächlich mit erheblichen Veränderungen im Bild der Gebäude und unserer Städte, eben an unserem baukulturellen Erbe einhergehen müssen. Sollen solche Veränderungen vermieden oder auf hohem architektonisch-städtebaulichen Qualitätsniveau geschehen, werden erhebliche baukulturelle und architektonische Anstrengungen notwendig sein. Solche Bemühungen bestimmen mittlerweile zumindest ansatzweise die Debatten um Architektur und Städtebau in Deutschland. Denn die Möglichkeit zur Identifikation mit der gebauten Umwelt ist ein nicht zu unterschätzender Teil unserer Lebenskultur. Außerdem ist sie ein wichtiges Motiv des Denkmalschutzes. Nicht ohne Grund sind Baudenkmale von der Anwendung der Energieeinsparverordnung befreit. Diese Regelung zeugt gleichzeitig vom Eingriffspotenzial der Verordnung in den baulichen Bestand. Allerdings brauchen auch anerkannte Baudenkmale einen wirtschaftlichen, ressourcensparenden sowie klimagerechten Betrieb. Ihre Ausnahme von der Energieeinsparverordnung eröffnet in diesem Sinne Möglichkeiten für ein kreatives Vorgehen bei ihrer Sanierung. Der Denkmalschutz bedingt eben die sorgfältige Prüfung der technischen und baulichen Möglichkeiten und verhindert es unter Umständen, gleich die erstbeste Lösung als die ultimative anzuwenden. Unter anderem das bequeme Argument der „Alternativlosigkeit“ hat letztendlich in den viel zitierten „Dämmwahn“ geführt.

Bauten der 1950er bis 1980er Jahre bestimmen vielerorts die Stadt- und Ortsbilder

Das gilt insbesondere für Bauten aus der Nachkriegszeit. Die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges, aber auch das Wirtschaftswachstum der Aufbaujahre haben in vielen Orten dazu geführt, dass Gebäude aus den 1950er bis 1980er Jahren ihr Bild wesentlich prägen. Wie in jeder Bauepoche weisen auch die Bauten aus dieser Zeit sehr unterschiedliche Qualitätsniveaus auf, die sicher nicht alle des Denkmalschutzes würdig sind. Schließlich werden in dieser Periode viele sogenannte Bausünden identifiziert, die vermeintliche, aber auch tatsächlich unannehmbare, wenn auch irreversible Veränderungen in der baulichen Substanz unserer Städte zur Folge hatten. Hier ist die Entscheidung über zu erhaltende, veränderbare oder verzichtbare Bauten sehr sorgfältig zu treffen.

Unilever Hochhaus in Hamburg

Ein besonderer Fall ist in diesem Zusammenhang der Umgang mit dem ehemaligen Sitz des Unilever Konzerns in Hamburg. Das 1961 bis 1964 von den Architekten Hentrich Petschnigg und Partner (HPP) entworfene Hochhaus sollte – wie die Wohnhochhäuser am Grindelberg, mit deren Bau etwa zehn Jahre zuvor begonnen worden war – einen architektonischen und städtebaulichen Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg in der Hansestadt einleiten. Der damalige Hamburger Oberbaudirektor Werner Hebebrand entwickelte mit dem Konzept der City Nord am nördlichen Stadtrand und in Flughafennähe ein Entlastungsquartier für die Ansiedlung von Konzernzentralen in der Innenstadt. Er wollte damit eine Hochhausentwicklung abwenden, die für Frankfurt am Main schon bald bestimmend werden sollte. Mit dem Unilever Hochhaus wurde aber dennoch ein architektonisch und städtebaulich markantes Zeugnis der Baukultur dieser Zeit geschaffen – nicht nur durch seine Bauhöhe und die moderne Ästhetik seiner Architektur, sondern auch für den Städtebau. Seine Höhe bedingte ein freies Umfeld am Fuß des Hauses, das nach den Prinzip der „aufgelockerten und gegliederten Stadt“ oder der „Stadtlandschaft“ eigentlich hätte ein Park sein sollen, aber ein Parkplatz wurde. Dafür wurde ein großes Stück des Stadtgewebes abgerissen, das über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte die Hamburger Innenstadt bestimmt hatte – das sogenannte Gängeviertel. Davon ist heute auf der gegenüber dem Hochhaus gelegenen Seite des Valentinskamp noch einiges erhalten. Erst vor kurzer Zeit wurde es – hart umkämpft – gesichert. Für die Bebauung der freien Flächen um das Hochhaus argumentierte die Hamburger Stadtentwicklungsbehörde gewissermaßen mit einer Kompensation dieser Bausünde, auch wenn dadurch die historische Bausubstanz nicht wieder gewonnen werden konnte und die neue Bebauung um einiges umfangreicher ausfiel als der alte verlorene Bestand.

Das ehemalige Unilever und heutige Emporio Hochhaus in Hamburg, Architekten: Henrich Petschnigg und Partner (HPP),1961 bis 1964. Vor der Sanierung 2006 und nach der Sanierung 2012 (Foto: http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)

Das ehemalige Unilever und heutige Emporio Hochhaus in Hamburg, Architekten: Henrich Petschnigg und Partner (HPP),1961 bis 1964. Vor der Sanierung 2006 und nach der Sanierung 2012 (Foto: http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)

Da das Hochhaus selbst unter Denkmalschutz steht, konnten die Eingriffe in die Substanz nicht so gravierend ausfallen wie in die umgebende Bebauung. Ziel der Denkmalpflege war vor allem der Erhalt des Baukörpers und seines Fassadenbildes. Das widersprach kaum den Intensionen des Bauherrn, der Union Investment Real Estate GmbH, die selbst einige Etagen in dem Haus für ihre Verwaltung nutzt. Für den Umbau erteilte die Union Investment dem noch existierenden Architekturbüro HPP einen Direktauftrag und ließ sich gleichzeitig von den im Umgang mit historischer Bausubstanz versierten B & Z Architekten (Horst von Bassewitz und Anna Zülch) beraten. Die Grundrissstruktur – drei ineinander verwobene Ypsilon – bot vielfältige Strukturierungsmöglichkeit auch kleinteiliger Vermietung an einzelne Nutzer. Das Haus musste also nicht grundlegend umgebaut werden, obgleich seine Nutzung von einer Firmenzentrale auf eine Mietbüronutzung umgestellt wurde. Das Foyer und die gemeinsam nutzbaren Konferenzräume wurden denkmalgerecht saniert. Die Büroetagen dagegen grundlegend umgebaut, das Haus um zwei Etagen aufgestockt und damit von ursprünglich 90 auf 98 Meter erhöht. Diese Proportionsverschiebung war aber für ein Hochhaus, das selten in direkter Ansicht zu sehen ist, verkraftbar. Zudem war der ursprüngliche Entwurf schon in der Bauphase 1964 um zwei Geschosse erhöht worden. Entscheidend für die Sanierung war die komplette Erneuerung der Fassade. Sie wurde streng nach dem Vorbild und im Maßsystem der historischen Fassade erstellt. Die Doppelverglasung und die strikte thermische Trennung von Außen- und Innen, also die konsequente Vermeidung von Kältebrücken sowie die Ausbildung als eine kompakte Doppelfassade ermöglichten einen hohen Grad der Wärmeisolierung. Die Fassade besteht aus der Fensterebene und einer äußeren Prallscheibe zwischen denen der Sonnenschutz verläuft. Damit konnte auch das Raster der inneren Fensterflügel von 1,90 Metern halbiert und mit einem von außen kaum sichtbaren zusätzlichen Fensterpfosten variabler gestaltet werden. Die Fenster können also noch im obersten Stockwerk, in einer Höhe von fast 100 Metern, geöffnet werden. Die neue Fassade entwickelte HPP auf Grundlage der noch erhaltenen Planunterlagen aus der Bauzeit. Durch den mit der neuen Fassade möglichen Verzicht auf eine Vollklimatisierung und die energetisch verbesserte Fassadenkonstruktion konnte der Energieverbrauch und damit auch der CO2-Austoß des Hauses erheblich gesenkt werden.1 Die Fassade, aber auch das optimierte Heizsystem, der Einsatz von Grauwasser für die Toilettenspülung sowie die intelligente, energiesparsame Führung der Aufzüge brachte dem Gebäude das Green-Building-Vorzertifikat des Leed-Gütesiegels in Gold ein.

Der Denkmalschutz war also keine Einschränkung für die Energieoptimierung. Im Gegenteil: Die damit verbundenen Senkungen der Betriebskosten waren für den Bauherrn von großem Interesse und wurden entsprechend intensiv verfolgt. Entgegen kam dem Bauherrn außerdem das von der Hamburger Stadtentwicklungsplanung erlassene Verdikt, in der direkten Innenstadt keine weitere Hochhäuser zu bauen, und dem alten Unilever-Hochhaus, dem heutigen Emporio-Haus, damit einen Sonderstatus einzuräumen. Auch das wieder hergestellte oder belassene Interieur aus den 1960er Jahren mit Möbeln nach Entwürfen des dänischen Designer und Architekten Arne Jacobsen, darunter die Sesseltypen „Ei“ und „Schwan“, dürfte nicht hinderlich gewesen sein, um gleich im Foyer den heutigen in vielfältiger Weise retrospektiven Zeitgeist anzusprechen.

Siedlung Marienhöhe in Quickborn bei Hamburg von Richard Neutra

Dass sich der Zeitgeist im Laufe der Jahre gewandelt hat, zeigt das Beispiel der Siedlung Marienhöhe in Quickborn bei Hamburg. Als 2005/2006 die von dem österreichisch-kalifornischen Architekten Richard Neutra und dem Hamburger Landschaftsarchitekten Gustav Lüttge 1960 bis 1964 entworfenen Bungalows unter Denkmalschutz gestellt werden sollten, erhoben fast die Hälfte der Bewohner dagegen Einspruch. 2 1984 war bereits das von Neutra im Bebauungsplan verankerte Verbot, Zäune zwischen den Grundstücken zu errichten und zusätzliche Garagen zu bauen, aufgehoben worden.3 In dieser Zeit sind an einigen der Häuser starke Veränderungen vorgenommen worden, die diese bis zur Unkenntlichkeit entstellt haben. Mittlerweile zeigt sich aber eine zweite Bewohnergeneration der Architektur und dem Design von Richard Neutra sowie der Gartengestaltung von Gustav Lüttge gegenüber sehr viel aufgeschlossener. Bei der notwendigen Sanierung und dem teilweisem Rückbau der zwischendurch vorgenommenen Einbauten wird auf eine originalgetreue Rekonstruktion und eine energetische Ertüchtigung Wert gelegt. Dem von Neutra erdachten Architekturkonzept wird regelrecht gehuldigt. Sogar das aus den USA damals teuer importierte Chrysler-Airtemp Luftheizungssystem wird sorgfältig erneuert, auch wenn es im Winter ab und an durch Kaminbefeuerung unterstützt werden muss. Dahinter steht in einigen Fällen wohl auch das Kalkül einer Wertsteigerung.4 Schließlich werden Neutra-Bauten in den USA zu Höchstpreisen gehandelt. Aber die Häuser in Quickborn und die zur gleichen Zeit in Walldorf bei Frankfurt am Main ebenfalls von der Betreuungs- und Wohnungsbau GmbH, einer Tochtergesellschaft der Neue Heimat in Hamburg, gebauten Häuser waren keine Villen im Miniaturformat, sondern als Reihenbungalows konzipiert, die mit einem Kaufpreis zwischen etwa 160.000 bis 249.000 DM auch für den aufstrebenden Mittelstand erschwinglich waren. Heute werden sie als Ikonen einer „kalifornischen Moderne“ hoch gehandelt.

Bungalow der Siedlung Marienhöhe in Quickborn bei Hamburg (Architekt: Richard Neutra, 1960 bis 1964). Außenansicht und Innenansicht mit der ursprünglichen Ausstattung der Bungalows (Foto: Mein EigenHeim, 1964, S. 19f.)

Bungalow der Siedlung Marienhöhe in Quickborn bei Hamburg (Architekt: Richard Neutra, 1960 bis 1964). Außenansicht und Innenansicht mit der ursprünglichen Ausstattung der Bungalows (Foto: Mein EigenHeim, 1964, S. 19f.)

Bungalow der Siedlung Marienhöhe in Quickborn bei Hamburg (Architekt: Richard Neutra, 1960 bis 1964). Außenansicht und Innenansicht mit der ursprünglichen Ausstattung der Bungalows (Foto: Mein EigenHeim, 1964, S. 19f.)

Geschwister-Scholl-Gesamtschule von Hans Scharoun in Lünen

Auch wenn im zuvor beschriebenen Fall der Kult um eine Person oder die Verehrung ihrer Arbeit für Trendentwicklungen auf dem Immobilien- oder Kunstmarkt offenbar nicht ohne Bedeutung sind – die allerdings auch nur kurzfristig anhalten kann – zeigt das Beispiel doch, dass der Schutz denkmalwürdiger Bausubstanz nicht das alleinige Motiv für den Erhalt historischer Bausubstanz der Moderne sein muss, deren leichte und transparente Bauweise energetisch unter Umständen nicht optimal ist. Auch deshalb war die konservatorische Sanierung der Geschwister-Scholl-Gesamtschule, die Hans Scharoun im westfälischen Lünen 1956 bis 1962 gebaut hat, eine besondere Herausforderung, die die Wüstenrot Stiftung mit der Stadt Lünen und den Architekten Spital-Frenking + Schwarz aus Dortmund sowie den Landschaftsarchitekten Prof. Nagel, Schonhoff + Partner aus Hannover angenommen haben. Die Schule ist mehr als eine „Ikone“ der Nachkriegsarchitektur. Sie war, und ist es noch, ein für das Zusammenwirken von Architektur und Pädagogik Richtung weisendes Bauwerk. Die Ausbildung ihrer Korridore im Sinne von Straßen und Plätzen gibt nicht nur dem Wunsch nach Begegnung und Kommunikation Raum, sie sorgt auch für eine räumlich-atmosphärische Differenzierung, die sehr stark durch farbig gestaltete Lichteinfälle durch Dach und Fenster sowie vielfältige Ausblicke in die umgebende Parklandschaft bestimmt wird. Leichtigkeit und Transparenz sind neben der weit in die Ebene erstreckten Struktur des Baukörpers ein wesentliches Element dieser Architektur.

Geschwister-Scholl-Schule in Lünen, Architekt: Hans Scharoun, 1956 bis 1962 (Foto: Andrea Diefenbach © Wüstenrot Stiftung)

Geschwister-Scholl-Schule in Lünen, Architekt: Hans Scharoun, 1956 bis 1962 (Foto: Andrea Diefenbach © Wüstenrot Stiftung)

Die relativ große Hüllfläche des Gebäudes und der hohe Glasanteil stellten für die energetische Sanierung des Bauwerkes entsprechend hohe Anforderungen. Dabei erwies sich das für dieses Bauwerk eigens entwickelte Heizsystem einer Fußbodenheizung mit Warmluftkanälen als noch immer effizient einsetzbar. Es wurde durch neue Regenerativ-Energietauscher mit einem Temperaturwirkungsgrad von 94% revitalisiert. Damit konnte nicht nur das ursprüngliche Architekturkonzept von Hans Scharoun wieder belebt werden, sondern auch ein behagliches Raumklima in den Heizperioden erreicht werden. Nachträglich eingebaute Radiatoren konnten dagegen zurückgebaut werden. Zum Raumklima trägt auch die regelmäßige sozusagen zwangsweise Belüftung des Gebäudes bei geschlossenen Fenstern bei, die durch die produktionsbedingten Undichtigkeiten der Fenster entstehen. Auf eine Erneuerung der Blend– und Flügelrahmen wurde deshalb verzichtet und die bestehenden Fenster aufgearbeitet. Lediglich die Glasflächen bekamen eine Isolierverglasung. Auf Lüftungsanlagen, die die hohe Luftdichtigkeit heute produzierter Fenster mechanisch kompensiert, konnte ebenso verzichtet werden wie auf eine Außenwanddämmung. Und schließlich ist die Schule ist an das Fernwärmenetz der Stadt Lünen angeschlossen, das mit einem Energiemix einen hervorragenden Primärenergiefaktor erzielt, der dem Gebäude ebenfalls zugutekommt. Daher reichten die Isolierverglasung, die Dämmung der Dächer und die Optimierung des Heizungssystems aus, um ein hohes Maß an Energieeffizienz für das Gebäude zu erzielen. Seine architektonischen Besonderheiten standen dabei nicht zur Disposition.5

Studentenwohnheim Siegmunds Hof in Berlin-Tiergarten

Auch die Architektur des Studentenwohnheims Siegmunds Hof, das 1961 nach Plänen der Architekten Klaus Ernst und Peter Poelzig fertig gestellt wurde, folgt dem Prinzip leichter transparenter Bauweise und wie das Unilever Hochhaus, die Wohnsiedlung in Quickborn oder die Schule in Lünen ist der Außenbezug einer ihrer integralen Bestandteile. Die Anlage zählt zum Quartier des Hansa-Viertels, auch wenn sie kein Teil der Bauausstellung Interbau von 1957 war. Sie folgte aber wie die der Ausstellungsbauten den Prinzipien der „Stadtlandschaft“ und steht damit aus gutem Grund unter Denkmalschutz. Nach mehr als 50 Jahren Betrieb war eine umfassende Sanierung notwendig, eine Anpassung an heutige Energieversorgungsstandard, eine energetische Sanierung, aber auch eine Steigerung der Attraktivität für Studierende. Die Berliner Architektin Susanne Hofmann entwickelte basierend auf einem partizipativ mit Bewohnern und potenziellen Bewohnern entwickelten Entwurfskonzept auch das Konzept einer mit dem Denkmalschutz abgestimmten energetischen Sanierung. Da sich der Umbau der Anlage in mehreren Bauabschnitten vollzieht, konnte für jedes der Gebäude eine eigene individuelle Lösung für die energetische Sanierung entwickelt werden. In den ersten Bauabschnitten kam mal eine Außenwanddämmung hinter der originalen – wenn auch zu erneuernden – Welleternitverkleidung in Frage, mal konnte die Ertüchtigung bestehender Fenster in Betracht gezogen werden. In einem Fall wurden alle Fenster erneuert, was letztendlich auch eine mechanische Zwangsbelüftung der Räume und damit den Einbau einer Lüftungsanlage zur Folge hatte, die zwar den Einbau eines Wärmerückgewinnungssystems ermöglichte, aber einen erheblichen Eingriff in die Bausubstanz nach sich zog. Da die Anlage unter Ensembleschutz steht, waren die Eingriffe nach dem Denkmalschutz möglich, hatten aber erhebliche konstruktive Konsequenzen und großen Einfluss auf die räumliche Organisation des betreffenden Gebäudes. Die Sanierung weiterer Gebäude der Anlage ist in ähnlicher Art im Bau beziehungsweise geplant.

vgl. Hans Jürgen Schmitz, Das energetische Konzept. In: Scharoun. Geschwister-Scholl-Schule. Die Geschichte einer Instandsetzung, Philip Kurz, Wüstenrot Stiftung (Hrsg.), Stuttgart + Zürich 2014, S. 98-105

vgl. Hans Jürgen Schmitz, Das energetische Konzept. In: Scharoun. Geschwister-Scholl-Schule. Die Geschichte einer Instandsetzung, Philip Kurz, Wüstenrot Stiftung (Hrsg.), Stuttgart + Zürich 2014, S. 98-105

Beim Umbau der inneren Raumorganisation setzt gleichzeitig die Modernisierung der Anlage selbst an, die eine neue Farbgebung, ein neues Prinzip der gemeinschaftlichen Nutzung sowie eine bessere Zugänglichkeit der Grünflächen zwischen den Gebäuden aus den Wohnungen heraus vorsieht. Damit ist das vordem hauptsächlich für das Auge angelegte Grün erlebbar und vor allem benutzbar geworden.

Denkmalschutzpraxis als Avantgarde der Alltagsarchitektur, das Prinzip Formel 1.

Aus den gezeigten Beispielen wird deutlich, dass eine energetische Sanierung nur selten Selbstzweck ist und ein Umbau im Bestand meist vielfältig motiviert ist. Die Motive des Denkmalschutzes, die Nutzungsanpassung oder Nutzungsoptimierung oder auch wirtschaftliche Interessen kollidieren zwar unter Umständen mit der energetischen Optimierung, aber sie schließen einander nicht aus.

Der Denkmalschutz kann für die Sanierung nach energetischen Gesichtspunkten also auch eine Leitlinie sein. Insofern lassen sich die Beispiele und ihre technischen Verfahren auch als Richtung weisend für den Umgang mit historischer Bausubstanz lesen, die nicht unter Denkmalschutz steht. Wenn der Erhalt oder das Weiterbauen alter Bausubstanz oder ihre Nutzungsanpassung im Vordergrund stehen und die energetische Optimierung nicht zum Selbstzweck werden soll. Insofern böte der Denkmalschutz auch die Chance eines prototypischen Denkanstoßes und der Reflexion und müsste nicht als Bedrohung oder Behinderung wahrgenommen werden. CO2-Ausstoss und Energieverbrauch ließen sich so unter Umständen kreativer und damit effektiver reduzieren als durch Verordnungen.

 

Anmerkungen

  1. 1. vgl. Jörg Seifert: Die Stadt der Kompromisse? Der Emporio-Tower, in: Architektur in Hamburg. Jahrbuch 2012, Hamburg 2012, S. 24-31
  2. 2. vgl. Lilian Pfaff: BEWOBAU-Siedlung Quickborn, in: Klaus Leuschel, Marta Herford (Hg.): Richard Neutra. Bauten und Projekte 1960 – 1970 in Europa, Köln 2010, S. 44-51, hier S. 44
  3. 3. vgl. Lilian Pfaff: a.a.O., Anm. 3
  4. 4.  vgl. Harald Willenbrock: Architektur als Spekulationsobjekt: Klein-Kalifornien in Quickborn, in: Häuser 05/2013 und Spiegel Online Wirtschaft sowie Luise Rellensmann: Mini Neutras, Baunetzwoche #363
  5. 5.  vgl. Hans Jürgen Schmitz, Das energetische Konzept. In: Scharoun. Geschwister-Scholl-Schule. Die Geschichte einer Instandsetzung, Philip Kurz, Wüstenrot Stiftung (Hrsg.), Stuttgart + Zürich 2014, S. 98-105

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